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Für eine friedliche Außenpolitik!

Rede von Sevim Dagdelen,

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Russland bombardiert völkerrechtswidrig die Ukraine. Und was macht die Bundesregierung? Sie liefert weiter Waffen an Russland, lässt weiter üppige Wirtschafts- und Finanzhilfen an das Land fließen

(Roderich Kiesewetter [CDU/CSU]: Russland?)

und legt Moskau lediglich nahe, bei seinen Luftangriffen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren.

(Zurufe von der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

– Ja, Sie haben recht, Pardon. Es stimmt: Das tut sie nicht. Es geht hier gar nicht um Russland, sondern um Ihren NATO-Partner Türkei.

(Max Lucks [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche Waffen liefern wir denn aktuell? Keine!)

Richtigerweise muss es nämlich heißen: Die Türkei bombardiert völkerrechtswidrig Syrien. Und was macht die Bundesregierung? Sie liefert weiter Waffen an die Türkei – es gibt keinen Waffenexportstopp –,

(Max Lucks [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie einen Beleg dafür?)

lässt üppige Wirtschafts- und Finanzhilfen weiter fließen und legt Ankara lediglich nahe, bei seinen Luftangriffen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren und zu achten.

(Zuruf von der LINKEN: Pfui!)

Allein an diesem Beispiel lässt sich ablesen, mit welch zweierlei Maß Ihre Außenpolitik hier misst, Frau Baerbock.

(Beifall bei der LINKEN)

Natürlich ist der Angriffskrieg Russlands zu verurteilen,

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Tun Sie es doch mal!)

und die Bombardierung der zivilen Infrastruktur in der Ukraine ist ganz klar ein Kriegsverbrechen. Dieser Krieg muss auch deshalb so schnell wie möglich enden. Aber genauso zu verurteilen ist der völkerrechtswidrige Angriffskrieg der Türkei in Syrien. Und da sind Sie einfach still und schweigen vor sich hin.

(Zuruf des Abg. Max Lucks [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Da finde ich: Das geht nicht. Das muss Konsequenzen haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist eben bezeichnend, dass, wenn man sich global umhört, nicht mehr die Diplomatie Kennzeichen der deutschen Außenpolitik ist, sondern das größte Aufrüstungsprogramm nach dem Zweiten Weltkrieg und der stetige Ruf nach immer mehr und immer schwereren Waffen, die man in die Ukraine schicken soll. Es sollte uns doch wirklich nachdenklich stimmen, dass selbst in den USA die Rufe nach einer diplomatischen Lösung im Ukrainekrieg immer lauter werden, wie jüngst vom ranghöchsten US-General, dem Generalstabschef Mark Milley. Warum hören wir dies nicht aus dem deutschen Außenministerium? Warum scheinen Sie selbst noch die Falken im Weißen Haus in ihrer Rhetorik übertreffen zu wollen?

Wie existenziell eine diplomatische Lösung in der Ukraine ist, war doch an den Ereignissen beim Raketenbeschuss in Polen deutlich absehbar. Es ist fatal, dass auch Politiker der Ampelkoalition mit Falschmeldungen mit dabei waren, fast einen Dritten Weltkrieg heraufzubeschwören. Während die Presseagentur Associated Press den Reporter, der diese weltweit verbreitete Falschmeldung fabrizierte, entlassen hat, machen Sie hier einfach weiter, als wäre nichts geschehen. Die große Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland steht für eine diplomatische Lösung und erwartet, dass die Außenministerin endlich zu arbeiten anfängt und eine Initiative für eine diplomatische Lösung unternimmt.

Ich frage mich deshalb auch in diesem Zusammenhang, warum Sie nicht wenigstens eine Überprüfung Ihrer Sanktionspolitik einleiten. In der Antwort auf die Kleine Anfrage meiner Fraktion hat die Bundesregierung ja eingestanden, dass sie keine Ahnung hat, welche Wirkungen die Sanktionen im Hinblick auf die Veränderung der russischen Politik haben. Aber das Problem ist, dass wir bereits jetzt sehen, dass der Wirtschaftskrieg, den Sie neben den Waffenlieferungen als außenpolitisches Instrument einsetzen, massiven Schaden für die Bevölkerung in Deutschland anrichtet. Mehr als 300 000 Unternehmen haben in Deutschland mittlerweile finanzielle Probleme, und daran hängen Millionen von Arbeitsplätzen. Seit März 2022 hat sich die Zahl der Pleitekandidaten um 15,6 Prozent erhöht. Für das nächste Jahr droht ein Wirtschaftseinbruch. Und Sie machen da einfach weiter. Ich finde das ungeheuerlich.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der AfD)

Man gewinnt mittlerweile auch den Eindruck – ich muss Ihnen sagen, auch das hört man im Globalen Süden –, dass das, was die deutsche Außenpolitik anpackt, schlicht danebengeht. Ich meine jetzt nicht nur die Bundesregierung, als sie versucht hat, mit einem Kotau vor der Golfdiktatur Katar um Gas zu betteln. Ich will Ihnen hier zwei Beispiele geben, die das illustrieren:

Sie verweigern sich Neuverhandlungen des Versöhnungsabkommens mit Namibia, die von den Nachfahren der dem Völkermord zum Opfer gefallenen Menschen in der ehemaligen deutschen Kolonie dringend eingefordert werden, ebenso wie jeder Diskussion um Reparationen.

Und dann Mali. Gestern haben Sie den längsten Rückzug in der jüngeren deutschen Militärgeschichte auf den Weg gebracht. Die Bundeswehr wird damit beschäftigt sein, die nächsten eineinhalb Jahre den Abzug aus dem westafrikanischen Land zu vollziehen, während die Sicherheitslage immer prekärer wird. Deshalb sagen wir ganz einfach: Die Bundeswehr sollte nicht erst im Mai 2024 abziehen, sondern sie sollte jetzt abziehen.

(Beifall bei der LINKEN – Ulrich Lechte [FDP]: Wo ist denn Ihre strategische Kompetenz geblieben, Frau Kollegin? Kompetenz, bitte!)

Meine Damen und Herren, wir brauchen dringend eine andere Außenpolitik, eine friedliche Außenpolitik, die statt auf Blockkonfrontation, –

– Aufrüstung und Stellvertreterkriege auf Diplomatie, auf Ausgleich und einen starken Sozialstaat –

– mit einer starken Wirtschaft setzt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)