Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Woche jährt sich der Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953 in der DDR zum 70. Mal. Vor 70 Jahren legten in über 700 Städten der DDR eine Welle von Streiks und Massendemonstrationen das Land lahm; es streikten und demonstrierten mehr als 1 Million Bürgerinnen und Bürger.
Es ging letzten Endes um nichts weniger als um die Forderungen nach einem Bruch mit dem stalinistischen Regime, nach Demokratie und freien Wahlen, nach Freilassung von politischen Gefangenen, und es war ein Aufstand von Arbeiterinnen und Arbeitern gegen das Auspressen ihrer Arbeitskraft, gegen die vorgesehene Erhöhung der Arbeitsnormen, also die faktische Kürzung der Löhne und Absenkung des Lebensstandards.
Der Aufstand wurde brutal niedergeschlagen. Über 50 Menschen wurden bei den Protesten getötet oder zum Tode verurteilt, mehr als 15 000 Menschen wurden teilweise lange Jahre inhaftiert.
Wir haben auch 70 Jahre später den allergrößten Respekt vor dem Mut der Aufständischen von damals. Wie viel demokratischer und selbstbestimmter hätte die Geschichte vielleicht verlaufen können, wäre der Arbeiteraufstand von 1953 erfolgreich gewesen!
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Götz Frömming [AfD]: Dann gäbe es Ihre Partei nicht!)
Der Jahrestag dieses Aufstands erklärt auch unsere heutige Beschäftigung mit der Erforschung der DDR- und Kommunismusgeschichte. Ja, die Forschung dazu muss weiter gestärkt werden, damit hat die Unionsfraktion recht – auch wenn ich ein ganz klein bisschen polemisch festhalten muss, dass der Aufstand vom 17. Juni vermutlich der einzige Arbeiteraufstand und politische Streik ist, den auch CDU und CSU abfeiern.
(Beifall bei der LINKEN)
Auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung gibt es in der Kommunismus- und DDR-Forschung noch einige blinde Flecken. Dass es jenseits der Forschungsverbünde zur DDR-Geschichte beispielsweise immer noch keine eigenen Universitätslehrstühle für die Erforschung der Geschichte des Kommunismus gibt, ist mir ebenfalls unverständlich.
Dass die Akten der ehemaligen Blockparteien privatisiert wurden und nicht ebenso öffentlich zugänglich gemacht wurden wie die Unterlagen der SED, das ist vielleicht politstrategisch, aber eben nicht wissenschaftlich zu erklären. Es wäre natürlich auch Aufgabe der Unionsfraktion, sich dafür einzusetzen, dass hier nichts mehr unter Verschluss gehalten wird.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Götz Frömming [AfD]: Da hat sie recht!)
Wissenschaftlich bislang viel zu wenig beachtet sind die Transformationsprozesse der Nachwendezeit, obwohl die radikalen Brüche aus dieser Zeit enorme Auswirkungen auf die politischen Debatten und auch Konflikte von heute haben. Die Geschichte der Treuhand zum Beispiel gehört endlich umfassend wissenschaftlich aufgearbeitet; denn die Geschichte dieser Industrievernichtungsmaschine ist untrennbar verbunden mit geplatzten Träumen von einer humaneren Arbeitswelt, von mehr Mitbestimmung und Demokratie, von einer besseren Zukunft, also genau dem, wofür die Menschen 1953 genauso wie 1989 auf die Straße gegangen sind.
(Beifall bei der LINKEN)
Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union: Den, ich sage mal, Eifer, den Sie in Ihren Antikommunismus stecken, hätten Sie auch dafür aufwenden sollen, für gleichwertige Lebensverhältnisse in Ost und West zu sorgen, die Renten anzupassen, gleiche Löhne und Gehälter zu schaffen. Ich finde, dann wäre Ihr Antrag heute noch mal um einiges glaubwürdiger.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)