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Stoppt die Steuertricks der Konzerne!

Rede von Janine Wissler,

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch Steuertricks von Unternehmen entsteht Deutschland ein jährlicher Schaden von bis zu 30 Milliarden Euro, so das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung. Länder im Globalen Süden verlieren nach Schätzungen der Vereinten Nationen jedes Jahr mindestens 100 bis 200 Milliarden US-Dollar durch die Steuertricks multinationaler Konzerne, etwa dadurch, dass transnationale Konzerne in Entwicklungsländern Profite erwirtschaften, diese aber durch Schlupflöcher in Steuerverstecke verschieben und dort dann gar keine oder geringe Steuern bezahlen. Man kann also feststellen: Die teuersten Flüchtlinge in diesem Land und global gesehen, das sind die Steuerflüchtlinge.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Amazon hat im Zuge der Coronapandemie seine Umsätze in Deutschland um bis zu 30 Prozent auf weit über 30 Milliarden Euro gesteigert und dennoch für sein gesamtes Europageschäft im Jahr 2021 Verluste von 1,2 Milliarden Euro geltend gemacht und am Sitz seiner Europazentrale im Niedrigsteuerland Luxemburg keinen Cent Ertragsteuern bezahlt.

(Pascal Meiser [DIE LINKE]: Unglaublich!)

Der Bäcker, der Handwerksbetrieb, der Blumenladen um die Ecke, die ihre Geschäfte nicht im internationalen Steuerdschungel verstecken können, zahlen Gewerbesteuer.

Nein, ich möchte keine Zwischenfrage von Herrn Glaser zulassen. Vielen Dank.

(Beifall der Abg. Pascal Meiser [DIE LINKE] und Johannes Schraps [SPD])

Die Wirkungen von Herrn Glaser auf die Finanzen der Stadt Frankfurt waren furchtbar. Ich denke da an das Millionengrab, das Sie hinterlassen haben. Ich möchte nicht, dass Sie hier die Gelegenheit bekommen, sich finanzpolitisch weiter auszubreiten.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Bäcker um die Ecke und die anderen zahlen also alle Gewerbesteuer. Warum wird das bei Amazon nicht durchgesetzt, meine Damen und Herren? Bereits im Sommer 2021 haben 138 Staaten vereinbart, eine globale Mindeststeuer von 15 Prozent einzuführen. Damit soll erreicht werden, dass die Konzerne nicht länger mit Gewinnverschiebungen ihre Steuern kräftig senken können. Nach der EU-Richtlinie liegt uns jetzt der Gesetzentwurf zur Umsetzung in deutsches Recht vor, und leider lassen sowohl die Richtlinie als auch der Gesetzentwurf scheunentorgroße Lücken offen. Steuerraub wird die Bundesregierung damit leider nicht sinnvoll eindämmen.

Der vereinbarte Mindeststeuersatz von 15 Prozent liegt auf dem Niveau von Steuerverstecken wie Irland, Singapur oder der Schweiz. Das Recht auf die Erhebung einer Mindeststeuer steht im Regelfall nur dem Land zu, in dem die Konzerne ihren Sitz haben, aber nicht den Ländern, in denen die Gewinne eigentlich erwirtschaftet werden. Im Fall von großen Internetkonzernen wie Amazon, Google, Apple ist es so: Die haben alle ihren Sitz in den USA, erwirtschaften aber in der Mehrzahl in anderen Staaten sagenhafte Gewinne, die sie dort nicht versteuern.

Also, der Ansatz der globalen Mindestbesteuerung mag gut klingen, und wenn das eine echte globale Mindestbesteuerung wäre, wäre sie auch sinnvoll. Aber wir brauchen eine lückenlose Berücksichtigung aller Gewinne und aller Großunternehmen. Man darf sich nicht damit zufriedengeben, dass das Gemeinwesen mit gerade einmal 15 Prozent Unternehmensteuer abgespeist wird; denn damit ist kein Staat zu machen, und schon gar kein sozialer Staat.

(Beifall bei der LINKEN)