Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Wolf ist in Deutschland zurück und hat hier wieder in die Natur gefunden; aber es läuft nicht alles glatt.
Der Antrag der Unionsfraktion trägt in Teilen der agrarpolitischen Problematik durchaus Rechnung. Das Problem ist: Sie greifen mit Ihren Schlussfolgerungen meiner Meinung nach bisher fehlenden, aber notwendigen Daten vor. Wir haben leider faktisch keine verlässlichen bundesweiten Daten, auch wenn wir hier gerade etwas anderes gehört haben. Sie haben recht, wenn Sie ein Monitoring und ein aktives Bestandsmanagement fordern.
(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Genau!)
Dem stimmen wir Linken zu.
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Hey!)
Ob man in Deutschland allerdings von einem günstigen Erhaltungszustand des Wolfes ausgehen kann, wie Sie es in Ihrem Antrag unterstellen, ist umstritten. Das Bundesumweltministerium zum Beispiel sieht die Wolfsbestände noch weit entfernt von einem günstigen Erhaltungszustand. Die deutschen Schafhalter – einige heute hier im Saal – sehen diesen Zustand natürlich als erreicht an angesichts der Risszahlen, die sie zu verzeichnen haben.
Das Problem ist, dass bislang jedes Bundesland für sich das Wolfsmonitoring eigenständig betreibt. In meinem Bundesland, Mecklenburg-Vorpommern, gehen die Fachleute – Stand 2021 – von 14 Wolfsrudeln aus. Ist das zu viel? Was ist der Maßstab? Klare und aktuelle Aussagen zum Erhaltungszustand bundesweit fehlen, und da ist definitiv nachzubessern.
(Beifall bei der LINKEN)
Liebe Kollegen aus der Union, wenn Sie nun fordern, das Bundesjagdgesetz zu ändern und den Wolf in den Katalog der jagdbaren Arten aufzunehmen, ist das populistisch. Als wenn es so einfach wäre!
(Henning Otte [CDU/CSU]: Wer soll es denn sonst machen? Wollen Sie das machen?)
In Ihrer Forderung, „den Wolf von Anhang 4 in Anhang 5 der FFH-Richtlinie neu einzustufen“, sehe ich eine ziemlich schräge Gleichstellung mit Baummarder und Iltis – und das, wie gesagt, ohne belastbare Datengrundlage. Mit Ihren Forderungen gehen Sie den zweiten Schritt vor dem ersten.
Lassen Sie uns zunächst den ersten Schritt gehen.
(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Was ist denn der erste Schritt?)
Es geht darum, zwischen Naturerhaltung, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit eine „ausgewogene Balance“ herzustellen – das ist Ihr Wortlaut –; aber dazu reicht es nicht, Wölfe einfach abschießen zu lassen und die Weidetierhalter dann trotzdem im Regen stehen zu lassen.
Wenn Sie etwas für die Weidehaltung tun wollen, dann folgen Sie, erstens, unserer jahrelangen Forderung: Helfen Sie mit, einen verlässlichen, bundesweit einheitlichen Rechtsanspruch auf Erstattung aller Aufwendungen für den Herdenschutz inklusive der Abgeltung der damit verbundenen Arbeitszeit zu garantieren.
(Beifall bei der LINKEN)
Zweitens. Realisieren Sie, dass die soziale Absicherung der Weidetierhalter jeder Beschreibung spottet! Denn auch ganz ohne Wolf geht es den Schäfern nicht besonders gut. Selbstausbeutung ist an der Tagesordnung. Stundenlöhne von 6 Euro sind keine Ausnahme, und das bei einem Arbeitstag von zwölf Stunden und länger – ohne Wochenende und ohne geregelten Urlaub. Wir fordern eine soziale Absicherung, die dem Engagement dieser Berufsgruppe gerecht wird. Die Regierung muss endlich in der Weidetierhaltung für soziale und ökologische Gerechtigkeit sorgen. Das sage ich klar mit Blick auf die Fehlstellen im aktuellen Haushaltsentwurf. Der Wolf wird nämlich als eine Tatsache für viele erträglicher, wenn der soziale Ausgleich erfolgt, und das sollte doch unser Ziel sein.
(Beifall bei der LINKEN)