Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Margot Friedländer! Lieber Herr Botschafter! Lieber Herr Schuster! Liebe jüdische Deutsche! Liebe deutsche Jüdinnen und Juden! Jüdisches Leben ist ein Geschenk. Jüdisches Leben in Deutschland war immer ein Geschenk. Jüdische Deutsche sind in der Geschichte Motoren des Fortschritts, der Kunst und Kultur, des Denkens, der Freiheit unseres Lebens gewesen. Karl Marx ist einer von ihnen, Hannah Arendt, Albert Einstein, Heinrich Heine. Jüdisches Leben in Deutschland gehört zur DNA des deutschen Selbstverständnisses als Land der Dichter und Denkerinnen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Jüdisches Leben in Deutschland nach dem Vernichtungswahnsinn der Nazis ist keine Selbstverständlichkeit, und es ist und bleibt eine Schande, meine Damen und Herren, wenn jüdische Einrichtungen geschützt werden müssen.
Die jetzige Situation ist unerträglich: Eltern schicken ihre Kinder nicht in die Schule, Sportvereine müssen ihre Tätigkeit einstellen, Eltern sagen ihren Kindern: „Zeigt nicht die Davidsterne“, israelische Restaurants sind leer. Deshalb sage ich ausdrücklich Danke für die Vereinbarte Debatte und auch Danke, dass die Debatte an diesem historischen Tag stattfindet. Ich sage auch Danke an Cem Özdemir, dass das nicht ein Grund ist, parteipolitisch schwerwiegende Auseinandersetzungen zu führen.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Wir müssen aber, meine Damen und Herren, leider konstatieren: Jüdisches Leben in Deutschland ist in Gefahr, und es ist immer in Gefahr gewesen. Denn Antisemitismus in Deutschland begann nicht 1938 mit der Reichspogromnacht; er begann auch nicht 1923 mit den großen Pogromen in Deutschland. Das christliche Europa – das vergessen in diesem Haus einige gerne – schuf den Judenhass und den Antisemitismus.
(Saskia Esken [SPD]: Ja!)
Deutschland hat die Auslöschung von Juden industrialisiert. Die Erinnerung an dieses singuläre Menschheitsverbrechen darf nie in Vergessenheit geraten, gerade wenn diejenigen – ich sage nur „Vogelschiss“ – es gerne fordern, die sich jetzt als Freunde Israels aufführen.
(Saskia Esken [SPD]: Ja!)
Meine Damen und Herren, der Antisemitismus war auch nach der Niederschlagung der Nazis 1945 nicht weg, weder im Osten noch im Westen. Denken wir nur an die Sprengstoffanschläge auf das Grab von Heinz Galinski, an die zahlreichen Schmierereien an Synagogen. Deswegen ist es, ehrlich gesagt, eine Schande, nur von importiertem Antisemitismus zu reden.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Deutschland hat genug eigenen Antisemitismus. Er wird durch die Zuwanderung verstärkt; ja, das ist richtig.
Ich gehöre nun seit Jahren zu denen, die vor Faschismus und Antisemitismus warnen, egal, ob er von Islamisten oder von Nazis kommt. Dass die Terroristen der Hamas eine zutiefst antisemitische Hassideologie verfolgen, ist vollkommen offensichtlich und unstrittig. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Hamas hat den Anschlag in Halle vor drei Jahren doch nicht begangen, und die Hamas hat auch nicht während der Coronapandemie Judensterne durch deutsche Straßen getragen, und die Hamas hat auch nicht Flugblätter in den Ranzen eines heutigen Koalitionspartners der Union gesteckt.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das war nicht die Hamas.
Um es klar zu sagen: Selbstverständlich müssen antisemitische Straftaten geahndet werden. Ja, was denn sonst?
(Jürgen Braun [AfD]: Die Hamas verbieten!)
Und klare Konsequenz des Rechtsstaates auch bei den islamistischen Demonstrationen, wo ein Kalifat und Ähnliches gefordert werden, muss ohne Wenn und Aber unstrittig sein, meine Damen und Herren.
(Peter Boehringer [AfD]: Das sagen wir ja die ganze Zeit!)
Aber ich will – –
(Jürgen Braun [AfD]: Da wird Terrorismus verharmlost! – Weitere Zurufe von der AfD)
– Manchmal ist ja Ignorieren die höchste Form der politischen Auseinandersetzung, bei Ihnen auf jeden Fall. Das kann ich also wirklich gesichert sagen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Peter Boehringer [AfD]: Das wird Ihnen nicht gelingen!)
Lassen Sie mich noch einen Satz zum Antrag der regierungstragenden Fraktionen sagen. Ich finde, vieles ist da sehr, sehr vernünftig; aber eines ist, glaube ich, vergessen worden. Es wird am Ende nur eine politische Lösung dieses Konflikts geben. Die Zweistaatenlösung sollte immer, wenn es in Deutschland Anträge gibt, zumindest erwähnt werden. Ich will das anregen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, jüdisches Leben in Deutschland ist ein Geschenk. Aber es ist auch die Pflicht jeder Bürgerin und jedes Bürgers, dieses zu beschützen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)