Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die 2015 verabschiedeten Nachhaltigkeitsziele sind ein positives Beispiel dafür, was weltweite Kooperation leisten kann.
Die Nachhaltigkeitsziele sind ein wahrer Lichtblick in der Menschheitsgeschichte: Armut beenden, kein Hunger, gesundes Leben für alle Menschen, hochwertige Bildung gewährleisten, Geschlechtergleichstellung, Verfügbarkeit von Wasser und nachhaltiger Energie für alle, menschenwürdige Arbeit, Ungleichheit verringern, Maßnahmen gegen den Klimawandel und seine Auswirkungen, friedliche und inklusive Gesellschaften fördern.
Die globalen Entwicklungsziele überzeugen auch deshalb, weil sie keine eindimensionalen Antworten geben. Die Agenda 2030 erkennt an, dass ein Ziel nicht ohne das andere zu erreichen ist. Ohne friedliche Entwicklung keine effektive Bekämpfung des Hungers.
(Beifall bei der LINKEN)
Ohne Bekämpfung der Armut wird es schwer, hochwertige Bildung zu gewährleisten. Würden sich alle 193 Mitgliedstaaten tatsächlich an diese Vorgaben halten, wäre es um den Zustand in der Welt und auch in Deutschland besser bestellt.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Welt befindet sich seit einigen Jahren im Dauerkrisenmodus. Verschiedene Krisen wie Gerechtigkeitskrise, Klimakatastrophe, wirtschaftliche Stagnation und hegemoniale Krisen mit erhöhter Kriegsgefahr treten gleichzeitig auf, verschränken und verstärken sich gegenseitig. Verschiedene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler warnen mittlerweile vor der Gefahr einer globalen Polykrise, bei der die lebenswichtigen natürlichen und sozialen Systeme der Erde durcheinandergeraten und sich die Aussichten der Menschheit irreversibel verschlechtern.
Es ist offensichtlich: Eine auf Profit und grenzenlosem Wachstum aufgebaute Weltwirtschaftsordnung, die die vorhandenen Ressourcen plündert, in vielen Teilen der Welt keine Rücksicht auf das Klima und die Gesundheit der Menschen nimmt und die Aneignung des erarbeiteten Reichtums in wenigen Händen konzentriert, kann die Krisen unserer Zeit nicht lösen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Der traurigste und tragischste Ausdruck davon ist, dass der Hunger in der Welt nicht besiegt wird. 735 Millionen Menschen auf der Welt hungern. Eine Weltwirtschaftsordnung, die es trotz ausreichend vorhandener Nahrungsmittel nicht einmal schafft, dass kein Mensch hungern muss oder ständig unterernährt ist, hat kein moralisches Recht, fortzubestehen.
(Beifall bei der LINKEN)
Sehr geehrte Damen und Herren, leider ist auch der jüngste Weltnachhaltigkeitsbericht ein Ausweis des Scheiterns. Beseitigung extremer Armut: wenig oder gar keine Fortschritte. Ernährungssicherheit: verschlechtert. Zugang zur Schulbildung: Rückschritt. Klimaschutz, biologische Vielfalt: negative Entwicklung. Geschlechtergerechtigkeit: keine Bewegung.
Sieht es zumindest in Deutschland besser aus? Leider nein. Der letzte Indikatorenbericht zur Nachhaltigkeitsstrategie für Deutschland spricht ebenfalls eine erschreckende Sprache. Rund ein Achtel der Indikatoren stagnieren bzw. verschlechtern sich bei der Zielerreichung. Rund 40 Prozent der Indikatoren entwickeln sich so schwach, dass eine Zielerreichung nicht zu erwarten ist. Die Krisen auf globaler Ebene taugen dafür aber nicht als Ausrede. Krisen bieten auch Chancen, ungeeignete Politik zu beenden und neue Entwicklungspfade aufzumachen.
Wer die Preisgestaltung von Energie dem Markt und wenigen großen Konzernen überlässt, muss sich über den rasanten Preisanstieg bei Energie, über hohe Inflation und zunehmende Armut nicht wundern. Wer lieber 100 Milliarden Euro in Militär investiert statt in Mobilitätswende, Energiewende und sozial-ökologische Transformation, darf sich über das Verfehlen der Klimaziele nicht wundern.
Wer zu wenig Geld in Bildung und Erziehung investiert, nicht rechtzeitig und nicht genügend Lehrerinnen und Lehrer sowie Erzieherinnen und Erzieher ausbildet, verantwortet den Bildungsnotstand und das Rekordhoch von 2,64 Millionen junger Menschen zwischen 20 und 35 ohne Berufsausbildung. Das ist komplettes Bildungsversagen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich bin überzeugt: Ohne eine grundsätzliche Änderung unserer Wirtschafts- und Lebensweise werden wir auch in den nächsten Jahren die Nachhaltigkeitsziele nicht erreichen. Wir brauchen eine Wirtschaftsweise, bei der nur so viele Ressourcen verbraucht werden, wie nachwachsen, bei der die Emissionsziele erreicht werden und die vor allem nicht an Profit und Wachstum orientiert ist, sondern am guten Leben für alle.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Johannes Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Dazu gehören vor allem gute Löhne, gute Arbeitsbedingungen und sinnvolle Arbeit.
(Stephan Brandner [AfD]: So wie im Sozialismus, ne?)
Es müsste bei der Debatte um Nachhaltigkeit klar sein, dass die Steigerung des Bruttoinlandsproduktes nicht gleichbedeutend mit Wohlstand für alle ist. Verkehrsunfälle erhöhen das Bruttoinlandsprodukt, wohl aber kaum die Lebensqualität. Neue Autobahnen führen zu Wirtschaftswachstum, aber nachweislich zu keinem Zeitgewinn bei der Mobilität, zerstören die Natur und verursachen den Ausstoß von noch mehr Emissionen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir brauchen keine Steigerung des Konsums von schnell verschleißenden und ressourcenfressenden Waren; stattdessen müssen wir langlebige, reparaturfreundliche Güter produzieren. Das schont Energiereserven und Ressourcen und schafft qualifizierte Arbeit für die Reparatur von Handys, Elektrogeräten, Kleidung, Möbeln und vielem anderen mehr.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir können und müssen Wohlstand anders definieren. Gutes Leben hängt nicht an den Versprechungen der Werbung, sondern am Zugang aller zu guter Erziehung und Bildung, zu wohnortnaher Gesundheitsversorgung und bezahlbarem Wohnraum. Gutes Leben braucht eine gute öffentliche Infrastruktur, Kultur und Sport, eine Garantie für nachhaltige Mobilität, ohne ein Auto besitzen zu müssen, das Recht auf saubere Luft, eine gesunde Umwelt, Energieversorgung, sauberes Wasser, die Gestaltung und Ausdehnung des öffentlichen Raumes und geschützte Räume für Kinder und Jugendliche sowie einen pfleglichen Umgang mit alten und kranken Menschen. „Gutes Leben“ heißt: gleichberechtigte Beteiligung und gleichberechtigte demokratische Aneignung der Gesellschaft.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Johannes Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Einige der Nachhaltigkeitsziele enden in der Überschrift mit zwei Wörtern: für alle. Es geht um ein gutes Leben, um vielfältige Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten in einer intakten Umwelt für alle Menschen, nicht nur für die oberen 10 oder 30 Prozent, nicht nur für die sogenannten Inländer, auch für Migrantinnen und Migranten und Geflüchtete, nicht nur für die Menschen in den reichen Ländern, sondern auch für die Menschen im Globalen Süden, nicht nur für die jetzigen, sondern auch für künftige Generationen. „Alle“ heißt „alle“, und das ist das Gegenteil von sozialdarwinistischem oder rassistischem Ausschluss großer Teile der Menschheit.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Isabel Cademartori Dujisin [SPD])
Die politisch Gewählten haben die Aufgabe, dafür die gesellschaftlichen Bedingungen zu schaffen. Diese Bundesregierung schafft das nicht. Statt die unerträgliche Kinderarmut zu beseitigen, wird eine nur unzureichende Kindergrundsicherung auf den Weg gebracht. Statt armuts- und altersarmutsfeste Löhne zu sichern, wird der Mindestlohn real, in Kaufkraft gemessen, abgesenkt. Statt für eine nachhaltige Verkehrswende einzutreten, werden in Beschleunigungsverfahren neue Autobahnen und Bundesstraßen gebaut. Statt geeignete Maßnahmen auf den Weg zu bringen, um die verfehlten Klimaziele im Verkehr und bei Gebäuden zu korrigieren, wird das Klimaschutzgesetz verschlechtert.
So geht das nicht, meine Damen und Herren. Das müssen wir dringend ändern und ein anderes Tempo bei der Nachhaltigkeit vorlegen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der LINKEN)