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Rede von Annette Groth zu Protokoll gegeben am 10.11.2016

Rede von Annette Groth,

Der Entschließungsantrag der Koalition zeichnet in völligem Widerspruch zum Bericht der Nationalen Stelle ein rosarotes Bild von den Zuständen in den besuchten Einrichtungen. Die Koalition sieht offensichtlich keinen Handlungsbedarf und hat die reale Lage nicht zur Kenntnis genommen. In keiner Weise thematisiert der Antrag die Tatsache, dass es dringend einer deutlichen Aufstockung der finanziellen und personellen Ressourcen für die Nationale Stelle und die Länderkommission bedarf, damit mehr Besuche in den Einrichtungen durchgeführt werden können.

Zwar ist es positiv, dass 2015 die Anzahl der Mitglieder der Länderkommission vergrößert wurde, dies ist aber nur ein erster Schritt. Auch die Erhöhung des Budgets der Nationalen Stelle auf 540 000 Euro ist lediglich ein erster bescheidener Anfang, der keinesfalls ausreicht.

So schreibt die Nationale Stelle zwar in ihrem Bericht: „Dies war für die Länderkommission ein wichtiger Schritt, da nun die Aufnahme der Besuchstätigkeit in den bisher nicht oder kaum abgedeckten Bereichen möglich wurde“, gleichzeitig zeigt der Bericht jedoch ganz klar auf, dass auch nach der Erhöhung der finanziellen und personellen Ressourcen für die Nationale Stelle nur wenige Stichprobenbesuche in den zu überprüfenden Einrichtungen durchgeführt werden können.

Aufgabe der Nationalen Stelle ist es, Orte der Freiheitsentziehung zu besuchen und vorhandene Missstände aufzuzeigen. Sie schlägt den Behörden konkrete Verbesserungen vor. Dabei ist die Nationale Stelle für die etwa 280 Gewahrsamseinrichtungen der Bundeswehr, der Bundespolizei und des Zolls sowie für Rückführungsmaßnahmen, die von der Bundespolizei begleitet werden, zuständig. In die Zuständigkeit der Länderkommission fallen 184 organisatorisch selbstständige Justizvollzugsanstalten, etwa 1 270 Dienststellen der Landespolizeien, alle Gerichte mit Vorführzellen, sieben Abschiebungshafteinrichtungen, circa 550 psychiatrische Fachabteilungen in speziellen Kliniken oder allgemeinen Krankenhäusern, 28 Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe mit geschlossenen Plätzen sowie geschlossene Heime für Menschen mit Behinderung und die circa 10 900 Alten- und Pflegeheime, in denen freiheitsentziehende Maßnahmen durchgeführt werden.

Wer sich vor Augen hält, um was für ein riesiges Aufgabengebiet es sich handelt, erkennt sofort, dass die derzeitige Ausstattung der Nationalen Stelle und der Länderkommission bei weitem nicht ausreicht, um eine angemessene Prüfung der Situation in diesen Einrichtungen durchzuführen. Deshalb fordert die Fraktion Die Linke seit vielen Jahren, die Mittel für die Nationale Stelle deutlich anzuheben und die Personalstellen für die Länderkommission auf mindestens 20 Vollzeitstellen zu erweitern.

Im Bericht wird deutlich, dass eine Intensivierung der Besuche der Nationalen Stelle und der Länderkommission mehr als notwendig ist. Wenn im Bericht zum Beispiel darauf hingewiesen wird, dass die Empfehlungen nach wie vor in vielen Fällen nur in der jeweils besuchten Einrichtung umgesetzt werden, aber nicht landes- bzw. bundesweit, ist dies mehr als bedauerlich. Daraus folgt jedoch auch, dass möglichst viele Einrichtungen besucht werden müssen, damit vorhandene Missstände abgestellt werden.

Gleichzeitig werden in dem Bericht immer wieder schwerwiegende Eingriffe in die Menschenwürde beklagt. So wird darauf hingewiesen, dass besonders gesicherte Hafträume per Video überwacht werden, wobei häufig die Intimsphäre der Untergebrachten nicht hinreichend geschützt ist. Es ist höchst alarmierend, dass ein erheblicher Anteil der Gefangenen in den Gemeinschaftsduschen nur mit Unterwäsche bekleidet duschen will. Es muss so schnell wie möglich Sorge dafür getragen werden, dass die Intimsphäre der Betroffenen ausreichend geachtet und geschützt wird.

Die Ausführungen im Bericht über die Jugendarrestanstalt Lebach sind erschreckend. Insbesondere im Jugendarrest sind Unterbringungsbedingungen, die die Menschenwürde verletzen, nicht akzeptabel. In dem Bericht wird dargestellt, dass Arresträume, die über eine Grundfläche von lediglich 8 Quadratmetern verfügen und deren Toilette nicht baulich abgetrennt und gesondert entlüftet wird, doppelt belegt sind. Solche Zustände wurden vom Bundesverfassungsgericht als Verletzung der Menschenwürde bewertet. Auch der Hinweis, dass bei den Nachfolgebesuchen in den Jugendarrestanstalten Düsseldorf und Wetter (Ruhr) durch die Länderkommission ein Großteil ihrer Empfehlungen trotz teils anderslautender Mitteilungen der Aufsichtsbehörde nicht umgesetzt worden waren, ist erschreckend.

Es ist skandalös, dass die Fixierung von Personen in Polizeidienststellen, die die Nationale Stelle als „menschenunwürdig“ bezeichnet, immer noch nicht abgestellt wurde. Außerdem weist die Nationale Stelle in ihrem Bericht darauf hin, dass Durchsuchungen, die mit einer vollständigen Entkleidung verbunden sind, einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellen. Sie fordert deshalb völlig zu Recht, diese auf das absolut notwendige Maß zu reduzieren.

Ich kann mich nur voll und ganz der Einschätzung der Nationalen Stelle anschließen, dass die Durchsuchung Geflüchteter in Abschiebeeinrichtungen bei ihrer Inhaftierung unter vollständiger Entkleidung einen schwerwiegenden Eingriff in die Intimsphäre darstellt. Ausdrücklich unterstütze ich den Hinweis der Nationalen Stelle in ihrem Bericht, dass Abzuschiebende keine Kriminellen sind. Es zeigt sich an diesem Kapitel im Bericht überdeutlich, welche menschenrechtlich nicht akzeptablen Praktiken in Abschiebeeinrichtungen noch immer vorzufinden sind. Diese müssen sofort abgestellt werden.

Für die Fraktion Die Linke möchte ich ausdrücklich meinen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nationalen Stelle und der Länderkommission für ihre wichtige Arbeit aussprechen. Ich fordere die Bundesregierung auf, endlich die Ausstattung der Nationalen Stelle und der Länderkommission deutlich zu verbessern, damit Deutschland seinen eingegangenen Verpflichtungen aus dem Fakultativprotokoll zum Übereinkommen (OPCAT) angemessen nachkommen kann. Nur mit einer spürbaren Anhebung des Budgets und der Personalstellen kann die Nationale Stelle den präventiven Ansatz, den sie als wichtigen Teil der Sicherung der Menschenrechte und der Menschenwürde für Gefangene und Menschen, die in Einrichtungen untergebracht sind, in denen ihre Freiheit eingeschränkt wird, umsetzen und so ihren Verpflichtungen nachkommen