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Chatkontrolle-Verordnung der EU schützt Kinder nicht, aber ist ein Desaster für Grundrechte

Rede von Anke Domscheit-Berg,

Sehr geehrter Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte Sie dennoch: Stimmen Sie dem Antrag der Linksfraktion zu, in dem die Bundesregierung dazu aufgefordert wird, die Chatkontrolle-Verordnung der EU abzulehnen. Sie soll zwar dem Schutz von Kindern vor sexualisierter Gewalt dienen; sie ist stattdessen aber ein Gruselkabinett von Grundrechtsverletzungen, zum Beispiel der automatischen Durchsuchung von Chatnachrichten nach verdächtigen Inhalten und Bildern.

Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages hat aufgezeigt, dass diese Verordnung weder mit EU-Grundrechten noch mit der deutschen Verfassung vereinbar ist. Stattdessen stellt sie das Ende der Vertraulichkeit elektronischer Kommunikation dar. Sie ist eben nicht geeignet, Kinder zu schützen. Sie ist aber auch nicht angemessen; denn es gibt Alternativen, die dieses Ziel ohne solche Grundrechtsverletzungen erreichen könnten. Sie ist auch nicht verhältnismäßig; denn ihr Nutzen ist wie beschrieben fraglich, aber die Nebenwirkungen sind erschreckend.

Denken Sie zum Beispiel an die hohen Fehlerquoten beim automatischen Scanning. Da werden Fotos badender Kleinkinder Ermittlungsbehörden überschwemmen, die am Ende vom Ermitteln tatsächlicher Verbrechen abgehalten werden. Es werden Jugendliche kriminalisiert, weil deren alterstypisches Sexting von Algorithmen mit strafbarem Grooming verwechselt wird. Es wird Cyberkriminalität begünstigt. Denn laut Wissenschaftlichem Dienst gibt es nur zwei technische Möglichkeiten, dieses Vorhaben umzusetzen: Entweder man macht die Verschlüsselung kaputt – das wäre ein klarer Bruch der Koalitionsvereinbarungen –, oder aber man liest die Inhalte vor dem Verschlüsseln auf dem Gerät mit. Das geht technisch nur, wenn man überall Hintertüren einbaut. Und diese Hintertüren werden eben auch Kriminelle benutzen. Das ist völlig inakzeptabel, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Neben der Chatkontrolle sind aber auch ein verpflichtender Altersnachweis für alle Messenger und App Stores und unglaublich viele weitere invasive Maßnahmen drin. Viel mehr dazu finden Sie auf meiner Webseite – www.ankedomscheitberg.de –; zwei Minuten sind zu wenig.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, verhindern Sie den Bruch des Koalitionsvertrages!

Retten Sie das elektronische Briefgeheimnis! Und helfen Sie, Kinder tatsächlich besser zu schützen! Wenn Sie dieser Verordnung zustimmen –

– ich bin quasi fertig –,

(Christoph de Vries [CDU/CSU]: Das Gefühl hatten wir von Anfang an!)

dann bauen Sie wirklich die größte Überwachungsinfrastruktur seit Jahrzehnten auf.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)