Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundeskanzler, ich finde es schon erstaunlich, wie Sie die Probleme, die in unserem Land herrschen, kleinreden und gleichzeitig Ihr grottenschlechtes Regierungshandeln beschönigen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der AfD)
Laut aktuellen Umfragen sind drei Viertel der Bevölkerung mit der Arbeit der Bundesregierung unzufrieden. Und wissen Sie, wie viele laut ARD-DeutschlandTrend mit Ihrer Arbeit sehr zufrieden sind? Null Prozent. Das muss man auch erst mal schaffen.
(Zuruf der Abg. Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Leider ist das kein Wunder. Alles ist teurer geworden: Lebensmittel, Strom, Sprit, Heizung, Schulsachen, Schulausflüge, Urlaubsreisen, der Kinobesuch, die Eintrittskarte fürs Schwimmbad.
(Angelika Glöckner [SPD]: Ja, warum denn?)
Die, die vorher schon wenig hatten, verzweifeln, und die Angst, nicht mehr über die Runden zu kommen, frisst sich immer tiefer in die Mittelschicht hinein. Ihre spärlichen Hilfsmaßnahmen haben nicht dazu geführt, dass die Lage sich entspannt – gar nicht! Vielleicht können Sie wenigstens das mal einräumen; das wäre ja ein erster Schritt zur Besserung.
(Beifall bei der LINKEN)
Zu Recht sind viele wütend darüber, dass Sie auf der einen Seite Milliarden für Rüstung einfach raushauen
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja!)
und den Aktionären von Rheinmetall und Co den Reibach ihres Lebens bescheren, auf der anderen Seite aber überall sonst knausern und sparen – bis es quietscht, bis es knarzt, bis es bricht. Aber das geht so nicht.
(Beifall bei der LINKEN)
2,8 Millionen Kinder in Deutschland leben in Armut. Sie haben versprochen, dass es eine Kindergrundsicherung geben wird, die Schluss macht mit der Kinderarmut, damit Kinder eben nicht mehr ohne Pausenbrot zur Schule gehen oder sich den Sportverein nicht leisten können, damit kein Kind mehr wegen der finanziellen Nöte der Eltern abgehängt wird. Ihre Familienministerin Frau Paus hat ausgerechnet, dass es 12 Milliarden Euro bräuchte, um hier einigermaßen wirksam Abhilfe zu schaffen. 12 Milliarden Euro sind übrigens gerade mal ein Viertel des Militäretats, nur um mal die Dimensionen klarzumachen.
Was gibt es jetzt tatsächlich? Was kommt wirklich? 2,4 Milliarden Euro.
(Saskia Esken [SPD]: Sie wissen doch, dass das nicht stimmt! Das ist unterkomplex!)
Ich meine, man muss kein Raketenwissenschaftler sein, um festzustellen: Das ist nur ein Fünftel der von der Regierung selbst als notwendig erachteten Summe.
(Bruno Hönel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie verstehen die Kindergrundsicherung nicht! – Gegenruf der Abg. Heidi Reichinnek [DIE LINKE]: Ihr versteht nicht, was ihr da macht! Nichts macht ihr!)
Frau Paus hat auch schon zugegeben, dass das zu wenig ist, um für Kinder reale Verbesserungen zu bewirken. Und Sie stellen sich hier ernsthaft hin und geben sich stolz ob dieses Etikettenschwindels, den Sie „Kindergrundsicherung“ nennen! Ihnen ist wirklich gar nichts peinlich. Sie sollten sich was schämen!
(Beifall bei der LINKEN – Saskia Esken [SPD]: Peinlich, solche Sachen zu erzählen!)
Finanzminister Lindner sagt sogar, dass das die letzte größere Sozialreform in dieser Wahlperiode sein wird. Wow! Das nennen Sie „Sozialreform“? Auch noch „größere“? Und jetzt kommt nichts mehr? Ich finde, das ist wirklich ein neuer Tiefpunkt.
(Bruno Hönel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind Sie noch bei der Linken?)
Das wird auch nicht dadurch besser, dass Sie, Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, sich jetzt alle hinter Christian Lindner verstecken und ihm den Schwarzen Peter zuschieben wollen, weil er das Geld nicht lockermacht. Nein, das haben Sie alle gemeinsam zu verantworten.
(Beifall bei der LINKEN)
Nichts für ungut: Im Gegensatz zu Ihnen behauptet die FDP ja wenigstens nicht, eine soziale Partei zu sein. Da ist sie immerhin ehrlich.
(Heiterkeit des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
Fakt ist: Ihre Politik sorgt nicht für Sicherheit, im Gegenteil. Ein kurzes Wort zum vermurksten Heizungsgesetz. Weiterhin halten Sie fest an diesem Quatsch, der das Klima kaum schützen wird, aber Menschen in unserem Land verunsichert und ärmer macht. Auf die Frage, mit wie viel CO2-Einsparungen die Bundesregierung denn eigentlich rechnet,
(Christian Dürr [FDP]: Ja, weil es keine Planwirtschaft ist, Frau Mohamed Ali!)
wenn das Heizungsgesetz so umgesetzt wird, wie sie es wünscht, antwortet die Bundesregierung: mit 1,4 Prozent bis 2030, wenn es gut läuft.
(Christian Dürr [FDP]: Das ist keine Planwirtschaft! Wie absurd! Das sind die alten Sektorziele der GroKo!)
Darüber reden wir hier. Und dafür regieren Sie den Menschen in ihre Heizungskeller hinein. Das ist nicht nur übergriffig, das ist absurd.
(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Dafür sollen Mieten steigen, Kommunen belastet werden und Hausbesitzer bluten. Wie die Förderung für die Bürgerinnen und Bürger ganz konkret aussieht, wie und in welchem Zeitrahmen man an sein Geld kommt:
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie lieber Gas aus Russland? Von Putin?)
Man weiß es nicht. Das regelt Ihr Gesetz nämlich gar nicht.
(Andreas Audretsch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein bisschen Gas aus Russland!)
Klar ist nur: Gefördert werden allenfalls die Kosten für die Wärmepumpe. Die Umbauten der Häuser, die notwendig sind, aber nicht unmittelbar mit dem Einbau der Wärmepumpe zusammenhängen, werden nicht gefördert. Da sollen die Leute halt sehen, wie sie klarkommen. Unglaublich! Was Sie hier abziehen, nur damit Robert Habeck seiner gutsituierten Fanbase einen angeblichen Erfolg für den Klimaschutz vorweisen kann – unfassbar!
(Beifall bei der LINKEN)
Derweil können jeden Tag im ganzen Land Kitas nicht öffnen wegen Personalmangels. Ob Bus und Bahn einen halbwegs zuverlässig ans Ziel bringen, ist weiterhin vor allem Glückssache, wenn Bus und Bahn überhaupt fahren. Kliniken sterben, weil sie nicht rentabel genug sind. Der Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, erwartet, dass in nächster Zeit ein Drittel der bestehenden Krankenhäuser schließen muss.
(Saskia Esken [SPD]: Zeit für eine Reform!)
Er sagt auch, dass die Krankenhausreform von Herrn Lauterbach diese Entwicklung nicht stoppen, sondern noch verschärfen wird. Das sind nur einige Beispiele.
(Zuruf von der LINKEN: Schande!)
Viele Menschen machen sich Sorgen um ihre Zukunft, um die Zukunft ihrer Familien, um ihren Arbeitsplatz, um ihr Zuhause.
(Zuruf von der FDP: Die Linke auch!)
Und nein, das auszusprechen, ist kein Schlechtreden unseres Landes, wie die Ampelkoalitionäre das gerne behaupten; es ist die Realität. Deutschland ist in einer großen Wirtschaftskrise, einer der größten in der Geschichte der Bundesrepublik. Der Internationale Währungsfonds, IWF, rechnet mit einem Rückgang unserer Wirtschaftsleistung um 0,3 Prozent, das ifo-Institut sogar mit 0,4 Prozent. Kein anderes Land in der EU hat vom IWF eine so miese Prognose bekommen wie Deutschland. Was ist die Antwort der Bundesregierung? Sparen. Die Schuldenbremse soll unbedingt eingehalten werden, koste es, was es wolle.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: So ein Quatsch!)
Eine Volkswirtschaft lässt sich aber nicht aus der Rezession heraussparen. Sie kann nur aus der Rezession herauswachsen; so ist das.
(Beifall bei der LINKEN)
Marcel Fratzscher, der Leiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, sagte zu Ihren Plänen, dass jeder Unternehmer wisse: Bei großen Herausforderungen, wenn man neue Technologien einsetzen und neue Produkte entwickeln will, dann muss man erst mal einen Kredit aufnehmen und sich verschulden. Das gilt auch für den Staat. – Ihr Festhalten an der Schuldenbremse ist gegen jede Vernunft. Wir dürfen jetzt nicht sparen. Wir brauchen große Investitionspakete.
(Beifall bei der LINKEN)
Bevor Sie hier reinrufen, das gebe es ja schon mit dem sogenannten Klima- und Transformationsfonds mit knapp 212 Milliarden Euro, möchte ich was dazu sagen: Wenn man da genau hinguckt, dann stellt man fest: Das reicht nicht. Das Institut der deutschen Wirtschaft sagt, dass diese Summe bestenfalls die Hälfte dessen ist, was man bräuchte, um die dringendsten Investitionen zu finanzieren, die die Wirtschaft braucht, um zukunftsfähig zu werden.
(Christian Dürr [FDP]: Der Gedanke bei Ihnen ist, dass der Staat das macht!)
Michael Hüther, Chef des IW, bezeichnet Ihr Argument, dass Staatsschulden immer schlechte Schulden seien, als ökonomisches Denken der 90er-Jahre. So viel zum Thema Fortschrittskoalition, wie Sie sich ja selber immer gerne nennen.
Ich meine, sogar Joe Biden, der ja nun auch nicht auffallend für Aufbruch und Moderne steht, hat es verstanden. Die USA haben mit dem sogenannten Inflation Reduction Act ein großes Investitionspaket geschnürt, um die Wirtschaft umzubauen und grüne Zukunftstechnologien anzusiedeln. Deutsche Unternehmen wandern in die USA ab, weil sie dort bessere Bedingungen vorfinden.
(Zuruf des Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP])
BASF hat bereits Stellenstreichungen angekündigt und legt eine Ammoniakanlage in Ludwigshafen still. Audi plant, E-Autos verstärkt in den USA herzustellen. Hier geht es um relevante Schlüsselindustrien Deutschlands; da kann man doch nicht einfach zugucken.
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Lukas Köhler [FDP]: Schön, dass Die Linke hinter Mohamed Ali steht!)
Es gab schon einmal einen Kanzler, der Deutschland mit seiner Sparpolitik ruiniert hat: Heinrich Brüning, Reichskanzler der Weimarer Republik von 1930 bis 1932. Wohin das geführt hat und welche politischen Kräfte dadurch stark geworden sind,
(Saskia Esken [SPD]: Mein Gott! – Stephan Brandner [AfD]: Kommunisten! – Weiterer Zuruf von der AfD: Sozialisten!)
das wissen wir.
(Christian Dürr [FDP]: Das ist geballte Geschichtsvergessenheit, was Sie da betreiben!)
Aus Geschichte kann man aber lernen, Herr Scholz. Und das können auch Sie tun, und das sollten Sie auch.
Ein weiterer Unterschied zwischen Deutschland und den USA, der den Unternehmen dort zugutekommt, ist, dass die Energie dort bezahlbar ist. Und dass das bei uns nicht so ist, hat Gründe. Und natürlich war der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine der wichtigste Auslöser dieser Entwicklung. Dass die Preise in Deutschland so gestiegen sind und hoch bleiben, ist aber das Ergebnis falscher politischer Entscheidungen dieser Bundesregierung.
(Beifall bei der LINKEN)
Und jetzt kommen Sie mir bitte nicht mit Ihrem Strompreisdeckel. Der kam viel zu spät und greift erst bei viel zu hohen Preisen.
Andere Regierungen waren da klüger: in Spanien und Frankreich zum Beispiel. Denn bevor es da zu den großen Teuerungen kam, hat man harte Preisdeckel für Energie eingeführt. Und obwohl diese beiden Länder richtigerweise wie Deutschland den Krieg in der Ukraine klar verurteilen, importieren sie im großen Stil das vergleichsweise günstige LNG-Gas aus Russland, in diesem Jahr sogar noch mehr als im Vorjahr, wie gerade vorgestern die Zeitschrift „agrarheute“ berichtet hat. Im Ergebnis fällt das Bruttoinlandsprodukt dort deutlich besser aus als bei uns.
Ich erinnere mich noch an die Worte von Annalena Baerbock, dass die Sanktionen die russische Wirtschaft ruinieren werden. Und ich weiß auch noch, wie ich und andere, die gesagt haben, dass diese Sanktionen der deutschen Wirtschaft erheblich schaden werden, der russischen aber nicht, mit Schimpf und Schande überschüttet worden sind: Kreml-Propaganda und alles Mögliche wurde uns vorgeworfen. Wir stellen fest: Die russische Wirtschaft wächst um 1,5 Prozent in diesem Jahr. Offensichtlich hat inzwischen auch Frau Baerbock erkannt und einräumen müssen, dass die Sanktionen der russischen Wirtschaft nicht wirklich geschadet haben.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie eigentlich für sich oder für alle da?)
Aber folgt auf diese Erkenntnis jetzt eine Handlung? Überdenkt man die falsche Politik, die man gemacht hat? Ich fürchte, nein. Stattdessen sagen Sie nun, dass Sanktionen nur in Demokratien und zivilisierten Ländern wirken. Das war ja mal wieder geballte Sachkompetenz, Frau Baerbock. Haben Sie damit eigentlich auch anerkannt, dass Kuba eine Demokratie ist? Ich meine, da haben die Sanktionen der USA nun zweifellos erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft. Aber vielleicht klären wir das ein andermal.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie das den Bach runtergeht bei den Linken, das tut mir wirklich weh!)
Ihre Regierungsarbeit, Herr Scholz, ist geprägt durch öffentlichen Streit, durch Unvernunft und durch Unehrlichkeit. Herr Scholz, wenn Sie wollen, dass Deutschland eine relevante Industrienation bleibt, dann müssen Sie Ihren Kurs korrigieren. Noch ist Zeit dafür.
Danke.
(Beifall bei der LINKEN)