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Rechtsverständnis der Großen Koalition steht auf dem Prüfstand

Rede von Frank Tempel,

Rede von Frank Tempel in der Aktuellen Stunde auf Verlangen der Fraktionen CDU/CSU, SPD"Umgang in der Bundesregierung und im Deutschen Bundestag mit den Vorwürfen gegen Sebastian Edathy"

Frank Tempel (DIE LINKE):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Schuster, „potenzieller Vizekanzler“ ist keine Rechtsstellung. Vielleicht könnte sich jemand von Ihnen in den nächsten Beiträgen etwas kompetenter damit auseinandersetzen.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

In meiner Zeit als Kriminalbeamter hatte ich mit Korruptionsdelikten zu tun. Dabei habe ich persönlich den Eindruck gewonnen, dass ab einer gewissen gesellschaftlichen Position Menschen dazu neigen - dem Gefühl nachgeben -, rechtliche Spielräume für sich weiter auslegen zu können, als das für den normalen Bürger gilt. In Ihrer Abgeordnetentätigkeit werden Sie ein Klischee kennengelernt haben, das uns in der Bevölkerung recht häufig begegnet: Die Großkopferten machen doch eigentlich, was sie wollen. ‑ Das politische Verhalten, das heute in dieser Diskussion zutage tritt, hat dieses Klischee, dass es innerhalb der politischen Elite ein eingeschränktes Rechtsstaatsverhältnis gibt, sehr deutlich bedient.

(Beifall bei der LINKEN - Burkhard Lischka (SPD): Von wem reden Sie jetzt?)

Wenn wir heute häufig hören, dass es darum gegangen sei, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden, muss ich sagen: Hier ist politischer Schaden entstanden.

Es wurde ganz richtig gesagt, dass es in unserem System eine Gewaltenteilung gibt. Das heißt, die Entscheidung, wer sich tatsächlich strafbar gemacht hat, obliegt den Gerichten. Das gilt auch für den Fall Edathy. Deswegen bitte ich Sie, vom eigenen Verhalten nicht permanent mit Hinweisen auf den Fall Edathy abzulenken.

(Beifall bei der LINKEN)

Was wir zu beurteilen und zu diskutieren haben, ist politisches Fehlverhalten von einzelnen Abgeordneten, von Bundesbehörden und auch von Bundesministern. Da heißt es, politische Größe zu zeigen, auch einmal zu sagen: Hier lag ein Fehler vor, hier müssen wir umsteuern; wir müssen schauen, dass dieser Fehler nie wieder passiert. ‑ Da kann man nicht permanent in Verteidigungshaltung gehen und sagen, man habe doch alles richtig gemacht.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn weder Frau Merkel noch Herr Seehofer Herrn Friedrich Rückendeckung geben will, dann kann ja wohl nicht alles richtig gewesen sein. Warum haben Sie nicht die politische Größe, in dieser Aktuellen Stunde, die Sie auf die Tagesordnung gesetzt haben, auch einmal zu sagen: „Das war falsch und das müssen wir ändern“?

(Beifall bei der LINKEN)

Der Innenausschuss ist durchaus geeignet, ein gewisses Maß an Aufklärung zu ermöglichen. Es ist aber bedauerlich, dass das hinter verschlossenen Türen erfolgt.

Wir haben konkrete Sachverhalte und Vorwürfe zumindest zu diskutieren, unter anderem, was ein Minister darf und was nicht. Der Geheimnisverrat ist nicht nur ein Straftatbestand, sondern damit geht auch der Vorwurf einer Dienstpflichtverletzung einher, und natürlich haben wir uns damit zu beschäftigen.

Was ein Geheimnisverrat ist, ist im Gesetz nun einmal definiert. Wenn ein Amtsträger ein Geheimnis an unberechtigte Personen weitergibt, ist das strafbar. Bei der rechtlichen Bewertung ist übrigens zu bedenken, dass das öffentliche Interesse besonders groß ist, wenn es um staatsanwaltschaftliche Ermittlungen geht. Das kann man in jedem Rechtskommentar nachlesen, Herr Schuster. Auch Polizeibeamte haben durchaus diese Kenntnis. Sie kommen in ihrer beruflichen Laufbahn nämlich permanent mit dem Thema Geheimnisverrat in Berührung und haben entsprechende Regelungen zu beachten.

Ich verstehe in dieser Diskussion auch nicht, warum permanent in Verteidigungshaltung darauf abgestellt wird, dass zu diesem Zeitpunkt noch kein Strafverfahren bestand. Das spielt keine Rolle. Auch Geheimnisse in Bezug auf staatsanwaltschaftliche Vorermittlungen dürfen nicht weitergegeben werden. Das müssen wir einfach einmal festhalten. Es ist ein Ablenkungsmanöver, dass Sie permanent darüber sprechen, dass noch nicht feststeht, ob eine Straftat definitiv vorliegt. Dieses Argument ist einfach falsch.

Warum müssen wir darüber reden? Dieser ganze Vorgang hat doch dazu geführt, dass der Innenminister in dem Moment, in dem er die Information weitergegeben hat ‑ und zwar an Personen, bei denen die Information vielleicht doch nicht zuverlässig verblieben ist ‑, nicht mehr Herr über diese Information war. Das ist ganz einfach Fakt. Er hat die Hoheit über diese Information aufgegeben. Er hat aber politisch zu verantworten, was mit dieser Information passiert.

Sie stellen sehr gerne darauf ab, wie viele Menschen in den Landeskriminalämtern, in den Dienststellen von den Ermittlungen insgesamt Bescheid gewusst haben müssen. Bisher ist lediglich bekannt, dass Herr Friedrich die Information aus dieser Kette weitergegeben hat. Alles andere sind Unterstellungen, die geprüft werden müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir haben heute Herrn Ziercke im Innenausschuss gefragt, ob bekannt ist, dass irgendwo in einer dieser Dienststellen gegen die Verschwiegenheitspflicht verstoßen wurde. Die Antwort war: Das ist bisher nicht bekannt. ‑ Bekannt ist aber aus der Aussage von Herrn Gabriel und aus der Aussage von Herrn Friedrich ‑ öffentlich vor Kameras ‑, dass die Information zumindest zwischen diesen beiden ausgetauscht wurde. Das ist der einzig vorliegende Fakt im Zusammenhang mit der Weitergabe dieser Information.

Was ist die Folge daraus? Der Geschädigte in diesem Verfahren ist in jedem Fall der Rechtsstaat; denn mit Blick auf die Schuld eines Herrn Edathy wird es Zweifel geben, weil es den Vorwurf gibt, dass hier Geheimnisse weitergegeben worden sind.

Damit komme ich zum Schluss. Wir müssen auch fragen ‑ die Sitzung des Innenausschusses ist noch nicht beendet; wir haben viele Fragen noch nicht gestellt ‑, aus welcher Rechtstellung heraus der Abgeordnete Oppermann Herrn Ziercke angerufen hat, der sich bei Beantwortung der telefonischen Anfrage ebenfalls des Geheimnisverrates schuldig gemacht hätte. Das hat er heute im Innenausschuss übrigens auch noch einmal bestätigt: Er konnte nicht antworten. Er war durch den Anruf von Herrn Oppermann rechtlich in einer Bredouille. Denn wie soll er mit diesem Anruf anders umgehen, als zu schweigen, was de facto als Bestätigung gesehen werden kann?

Diese Frage werden wir Herrn Oppermann heute im Innenausschuss selbstverständlich stellen, damit er sich dazu äußern kann ‑ leider nicht öffentlich.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)