Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werte Gäste auf den Besuchertribünen! Die Linke beantragt heute zwei Dinge: Erstens verlangen wir, gesetzlich zu regeln, dass Minderjährige grundsätzlich nicht mehr für die Streitkräfte rekrutiert werden, und zweitens verlangen wir, bis zu diesem Zeitpunkt die Ausbildung von Minderjährigen, die jetzt schon als Soldaten in der Bundeswehr dienen, an Waffen unmittelbar einzustellen.
(Beifall bei der LINKEN)
Worum geht es? Die Zahl der minderjährigen Soldaten in der Bundeswehr hat sich in den letzten Jahren mehr als verdreifacht. Sie beträgt inzwischen nahezu 10 Prozent der freiwillig Grundwehrdienstleistenden. Dabei sorgt sich die Bundeswehr regelrecht liebevoll um Kinder und Jugendliche, um sie für den Soldatenberuf zu interessieren, wie sie das ausführt. Ein Sachverständiger des Bundesverteidigungsministeriums, Herr Nachtwey, hat in einer Anhörung der Kinderkommission des Deutschen Bundestages vor zwei Jahren Folgendes zu Protokoll gegeben – ich zitiere –:
"Wir sprechen ja nicht gezielt ausschließlich die 17-Jährigen an, sondern wir sprechen junge Menschen an und differenzieren dabei nun nicht, ob sie 15 Jahre alt sind – und damit sozusagen zunächst interessiert werden oder überhaupt die Werbung mitbekommen ..."
„Warum denn solche Zurückhaltung?“, frage ich mich; denn bei 15-Jährigen ist mit der Werbeansprache durch die Bundeswehr noch lange nicht Schluss. Hunderte Kooperationen mit Schulen, mit Kitas, ja sogar mit Kinderheimen zeugen davon. Die Bundeswehr wirbt in Zeitschriften wie „Bravo“ und der Schülerzeitschrift „Spicker“, die 17-Jährige nicht mehr lesen; das ist eher etwas für 12-Jährige und Jüngere. Jugendoffiziere sind in den Schulen unterwegs und bieten dort Politikunterricht an. Das Ganze trägt inzwischen regelrecht absurde Züge.
(Beifall bei der LINKEN)
Der Wehrbeauftragte schreibt in seinem Bericht für das Jahr 2016 – das ist beispielgebend für diese Art des Umgangs mit Kindern und Jugendlichen in der Personalwerbung –:
"Ein weiterer schwerer Unfall ereignete sich an einem Tag der Bundeswehr, der im Rahmen des Ferienprogramms einer Gemeinde für Kinder veranstaltet wurde."
– Das muss man sich einmal vorstellen: Ferienprogramm für Kinder durch die Bundeswehr! –
(Florian Hahn [CDU/CSU]: Reden Sie mal zum Thema!)
"Bei einer der im Programm vorgesehenen Geländefahrten in Bundeswehrfahrzeugen für Kinder und Jugendliche überschlug sich ein Geländewagen vom Typ WOLF. Drei Kinder im Alter von sieben bis 13 Jahren wurden laut Feldjägersofortmeldung zum Teil schwer verletzt."
(Zurufe von der FDP: Oh! – Gegenruf des Abg. Niema Movassat [DIE LINKE]: Die wurden verletzt! Da müssen Sie nicht „Oh!“ sagen!)
Wer 17-Jährige in Uniformen stecken will, der muss wohl auch Siebenjährige zu lebensgefährlichen Abenteuerfahrten im Geländewagen einladen.
(Grigorios Aggelidis [FDP]: Das ist lebensgefährlich?)
Auch die SPD-Fraktion hat zu Beginn der letzten Sommerpause beschlossen, dass sie sich dem Ziel „Straight 18“, also keine Minderjährigen mehr an Waffen auszubilden und für die nationalen Streitkräfte zu werben, anschließt. Damit fordern in Deutschland das Deutsche Bündnis Kindersoldaten, UNICEF, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, die katholischen Jugendverbände, aber eben auch Die Linke und die Grünen hier im Haus sowie jetzt auch die SPD-Fraktion, dass keine Minderjährigen mehr für die nationalen Streitkräfte geworben oder an Waffen ausgebildet werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Auch der Wehrbeauftragte schließt sich ein Stück weit dieser Position an, indem er erstmals in seinen Berichten für die Jahre 2016 und 2017 – herzlich willkommen, Herr Bartels! – ausführt, dass die Heranziehung Minderjähriger der Ausnahmefall sein sollte. Bei 9 Prozent oder 10 Prozent Minderjährigen bei den Grundwehrdienstleistenden kann von Ausnahmefällen aber wohl gar nicht mehr die Rede sein.
(Beifall bei der LINKEN – Florian Hahn [CDU/CSU]: Sagen Sie das, oder schreibt er das?)
2019 muss die Bundesregierung Farbe bekennen. Warum? 2019 wird die Bundesregierung den nächsten Staatenbericht zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention und ihres 2. Fakultativprotokolls, in denen die Frage von Minderjährigen in Streitkräften und bewaffneten Konflikten geregelt werden, vorlegen, und zwar gegenüber den Vereinten Nationen. Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes in Genf wird diesen Bericht zur Kenntnis nehmen. Er wird Verbände und Initiativen anhören, und er wird Handlungsempfehlungen aussprechen.
Jetzt sage ich Ihnen: Ich weiß heute schon, wie diese Handlungsempfehlungen aussehen werden: Die werden genauso aussehen wie die Handlungsempfehlungen vor fünf Jahren, weil die Bundesregierung gar nichts davon umgesetzt hat. Sie hat überhaupt nicht darauf reagiert, dass die Vereinten Nationen klare Empfehlungen ausgesprochen haben. Sie haben das schlichtweg nicht umgesetzt. Ihnen ist das egal. Sie werden wieder einen Staatenbericht vorlegen. Dieser Staatenbericht wird ein zweites oder drittes oder viertes Mal mit Handlungsempfehlungen versehen werden, die Sie am Ende wieder nicht umsetzen. Diese Blöße können wir uns durch die Annahme der Anträge von Grünen und Linken ersparen.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Jetzt werden Sie sagen: Die Bundeswehr braucht Jugendliche ganz dringend, weil man sonst die personellen Anforderungen nicht erfüllen kann. – Da haben Sie recht; das stimmt. Auch dafür hat Die Linke eine Lösung.
(Florian Hahn [CDU/CSU]: Bundeswehr abschaffen!)
Sie ist ganz einfach: Ziehen Sie die Soldatinnen und Soldaten aus den anderthalb Dutzend Auslandseinsätzen ab!
(Florian Hahn [CDU/CSU]: Oder ganz abschaffen!)
Wenn Sie das machen, dann haben Sie nicht mehr so ein Personalproblem, und dann müssen Sie auch keine Minderjährigen mehr für die nationalen Streitkräfte werben.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)