Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Beschäftigte im öffentlichen Dienst! Wie viel verdient ein Busfahrer in Leipzig? Einstiegsgehalt: 13,84 Euro pro Stunde – brutto, wohlgemerkt. Das erzählten mir Kolleginnen und Kollegen der Leipziger Verkehrsbetriebe, als ich bei ihrer Streikkundgebung war. In Vollzeit ist das ein Grundgehalt von etwa 2 300 Euro brutto im Monat für einen fordernden Job mit so viel Verantwortung, im Schichtdienst, mit Arbeit an Sonn- und an Feiertagen. Das verdienen Menschen, die den Laden am Laufen halten, und sie müssen jeden Euro umdrehen und nicht selten einen Zweitjob annehmen.
Meine Damen und Herren, in der aktuellen Tarifauseinandersetzung geht es um 2,5 Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen, um Menschen, die unseren Müll entsorgen und die Straßen reinigen, die uns zur Arbeit bringen, die unsere Angehörigen pflegen, denen wir unsere Kinder anvertrauen. Sie sind das Rückgrat der Gesellschaft.
(Beifall bei der LINKEN)
Was sie sich wünschen? Die Streikenden in Leipzig sagten mir: gute Arbeitsbedingungen, höhere Löhne und vor allem Wertschätzung, Wertschätzung ihrer Arbeit. Und die drückt sich eben nicht in Sonntagsreden aus; denn mit warmen Worten kann man bekanntlich keine Rechnungen bezahlen. Wir unterstützen die Forderung der Gewerkschaften nach 10,5 Prozent mehr Lohn, mindestens 500 Euro, sowie 200 Euro mehr für die Auszubildenden. Das ist keineswegs überzogen. Das ist mehr als berechtigt.
(Beifall bei der LINKEN)
Steigende Mieten, Energie- und Lebensmittelpreise fressen Löhne und Gehälter auf.
Und die Arbeitgeber? Bundesinnenministerin Faeser bietet 5 Prozent mehr Lohn an – für die nächsten 27 Monate, davon nur 3 Prozent in diesem Jahr, und das nicht mal ab sofort, sondern ab dem 1. Oktober – bei einer Inflation von fast 9 Prozent. Das nennt Bundesinnenministerin Faeser ein faires Angebot und Ausdruck von Respekt. Das ist kein Angebot, das ist eine Frechheit!
(Beifall bei der LINKEN)
Das bedeutet eine Lohnsenkung; das weiß Frau Faeser auch ganz genau. Mit Respekt hat das überhaupt nichts zu tun. Die Systemrelevanten, die Coronaheldinnen und ‑helden – erinnern wir uns –, die kann man doch nicht unterhalb des Inflationsausgleichs abspeisen, sodass sie am Ende noch weniger Geld in der Tasche haben als vorher. Und die Einmalzahlungen, die helfen nicht langfristig und bringen für die Rente gar nichts.
Meine Damen und Herren, wenn man mit Kolleginnen und Kollegen spricht, dann berichten sie von Personalmangel und von Überlastung – in den Kitas, in der sozialen Arbeit, in den Krankenhäusern, in der öffentlichen Verwaltung. Das ist der vielgepriesene schlanke Staat, nämlich die Folge von Privatisierung, von Personal- und Bürokratieabbau, von Maßnahmen, die ja angeblich alles viel effizienter machen sollten. Heute zeigt sich, was es bedeutet, wenn man den öffentlichen Dienst kaputtspart: lange Wartezeiten bei den Bürgerämtern, Bauanträge, deren Bearbeitung ewig dauert, und geschlossene Einrichtungen. Die Personaldecke in vielen Kitas ist so dünn, dass wenige Krankheitsfälle dazu führen können, dass sie tageweise geschlossen werden müssen, und die Leidtragenden sind Kinder und Eltern.
Die Beschäftigten in den Krankenhäusern sind seit Jahren völlig überlastet. Deshalb sagen die Streikenden von Verdi zu Recht: Nicht unser Streik gefährdet die Patienten, sondern der Normalzustand in den Krankenhäusern gefährdet die Patientinnen und Patienten.
(Beifall bei der LINKEN)
Da ist es doch kein Wunder, dass immer mehr Beschäftigte gehen. Der Coronabonus kam bei vielen gar nicht an, die versprochenen Verbesserungen bei der Personalbemessung stehen unter Lindner-Vorbehalt, und jetzt noch eine faktische Lohnsenkung: Sieht so gute Gesundheitsversorgung aus? Das ist doch wirklich unwürdig, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Beschäftigten streiken für uns alle. Sie streiken für ihre Patientinnen und Patienten, sie streiken für die Fahrgäste, für die Kitakinder, für die Daseinsvorsorge. Das gilt auch für die Streikenden bei der Deutschen Post, bei der Bahn und an den Flughäfen. Die Post hat im letzten Jahr einen Rekordgewinn in Höhe von 8,4 Milliarden Euro eingefahren, einen Rekordgewinn, den die Beschäftigten erarbeitet haben. Sie müssen nun streiken für eine angemessene Lohnerhöhung. Wir stehen auf der Seite der Beschäftigten bei der Post. Die Zustellbereiche werden immer größer. 15 Prozent mehr Lohn ist eine absolut berechtigte Forderung bei diesem hohen Gewinn.
(Beifall bei der LINKEN)
Jede Forderung, das Streikrecht einzuschränken, ist ein Angriff auf demokratische Rechte. Wer keine Streiks will, der muss eben vernünftige Angebote machen, aber darf doch nicht darüber diskutieren, das Streikrecht einzuschränken, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN)
Es gibt in diesem Land Geld wie Heu, aber es ist zutiefst ungerecht verteilt. Wenn Bund und Kommunen trotz steigender Steuereinnahmen nicht genug Geld haben, ihre Leute vernünftig zu bezahlen, ja, dann muss man halt endlich mal ran an die Spitzenverdiener und Vermögenden in diesem Land. Man würde sich wünschen, dass die Erzieher/-innen und Pflegekräfte ähnlich hörbare Lautsprecher in der Ampel hätten, wie sie dann zu hören sind, wenn es um die Rüstung geht.
(Beifall bei der LINKEN)
Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. Die Streikenden im öffentlichen Dienst, bei der Post, an den Flughäfen, sie haben unsere volle Solidarität. In Frankreich streiken Millionen gegen die Erhöhung des Renteneintrittsalters. In Großbritannien gibt es große Streikwellen. Verschiedene Länder, verschiedene Branchen, eine Bewegung dafür, –
– dass die Beschäftigten angemessen am gesellschaftlichen Reichtum beteiligt werden. – Letzter Satz. – Zusammen geht mehr! Tous ensemble! Enough is enough!
In diesem Sinne: Alles Gute den Gewerkschaften und den Beschäftigten für den Streik!
(Beifall bei der LINKEN)