Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute eine ziemlich grässliche Melange aus mehreren AfD-Anträgen zum Thema Kulturpolitik, zu so ziemlich allem, was das rechte Gemüt in Wallung bringt: Erinnerungskultur, Geschlechtergerechtigkeit, Diversität, Postkolonialismus.
Bei der AfD verkommt die Kultur zu einer armseligen, zu einer biederen, zu einer völkischen Sache. Deutsch muss sie sein – klar –, vor allem die Sprache. Kultur soll nach Ansicht der AfD vor allem nach außen sauber aus- und abgrenzen, wer nicht dazugehört. Entwickeln darf sie sich auch nicht. Das ist ein Verständnis von Kultur, das statisch, monolithisch und faschistoid ist.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Für alles, was sich nicht in „deutsch“ oder „abendländisch“ einordnen lässt, soll es überhaupt keinen Entfaltungsraum geben. Man hat sich einer „Leitkultur“ unterzuordnen, als ob es eine „deutsche Kultur“ gäbe
(Lachen bei Abgeordneten der AfD)
oder überhaupt irgendeine Kultur, die sich im national abgeschlossenen Raum entwickelt hätte! Was wären Musik, bildende Kunst, Literatur und Theater ohne internationalen Austausch, meine Damen und Herren?
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Zuruf des Abg. Dr. Marc Jongen [AfD])
Was für Sie von der AfD Kulturpolitik bedeutet, lässt sich ganz praktisch an Ihrer Politik ablesen. In Sachsen-Anhalt forderten Sie die Entlassung eines Opernintendanten, weil zu viel Willkommenspropaganda auf dem Spielplan stünde. Die Berliner AfD wollte dem Friedrichstadt-Palast, dem Maxim Gorki Theater und dem Deutschen Theater die Mittel kürzen, weil ihr entweder der Spielplan oder die politische Ausrichtung der Intendanten nicht passte. Im Hessischen Landtag haben Sie Anträge gestellt, Kultureinrichtungen die Mittel zu kürzen, weil zu links oder zu ausländisch oder beides.
Eigentlich finde ich das ziemlich bemerkenswert für eine Partei, die sich sonst so gerne auf „Das wird man doch noch sagen dürfen!“ und auf die Meinungsfreiheit beruft.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das zeigt: Wenn Sie Macht hätten, dann dürfte man sehr vieles sehr schnell nicht mehr sagen; denn Ihr Kulturverständnis steht in der Tradition der Bücherverbrennung.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
Besonders abstrus ist die AfD-Forderung, die Rückgabe in der Kolonialzeit geraubter Kultur- und Kunstgegenstände an die Herkunftsländer zu stoppen. Also: Menschen afrikanischen Ursprungs wollen Sie nicht im Land haben, weil anderer Kulturkreis, aber Raubkunst aus Afrika, die soll gefälligst hierbleiben.
(Heiterkeit der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])
Sie wollen ausländische Kultureinflüsse zurückdrängen, aber afrikanische Bronzefiguren, die sind für die deutsche Leitkultur dann doch so wichtig, dass man sie den rechtmäßigen Besitzern nicht zurückgeben darf.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dann wollen Sie obendrein auch noch eine Kommission einsetzen, die nach Nachtigal benannt werden soll, Bismarcks Reichskommissar für die deutschen Kolonien in Westafrika. Das ist wirklich grotesk, das ist absurd, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Und vor allem zeigt es: Es geht Ihnen gar nicht um Bronzestatuen, von deren Existenz Sie vermutlich erst erfahren haben, als sie jetzt zurückgegeben wurden. Hinter Ihrem Antrag steht der Versuch, deutsche Geschichte neu zu interpretieren, Verbrechen zu relativieren, weg von einer „Schuldkultur“, wie Sie es nennen, und zwar von der Kolonialzeit bis Hitler.
Der Faschist Höcke hat bedauert, dass Hitler als – Zitat – „absolut böse“ dargestellt wird. Jetzt soll der Kolonialismus mit all seiner brutalen Menschenverachtung und seinen Massenmorden als eigentlich doch ganz vernünftig dargestellt werden. Schließlich habe er den – Zitat – „kolonialisierten Völkern“ auch „moderne Verkehrswege“ und „zivilisatorische Strukturen“ gebracht. Der Raub der Benin-Bronzen durch die britische Kolonialarmee wird als Reaktion auf einen – Zitat – „Überfall von Benin-Kriegern auf eine unbewaffnete britische Gesandtschaft“ bezeichnet.
(Lachen der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])
„Selbst schuld, die Kolonialisierten!“, das will die AfD uns damit sagen. Aber was hatten denn britische, französische und deutsche Kolonialsoldaten in Afrika überhaupt zu suchen? Diese verbrecherische Geschichte des Kolonialismus muss aufgearbeitet werden, und sie darf nicht umgedeutet werden.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich komme zum Schluss. Es ist jedenfalls gut – denn es ist lange überfällig gewesen –, dass es die Vereinbarung mit Nigeria gibt und dass die Bundesrepublik die ersten 20 Exemplare der Benin-Bronzen im Dezember in Abuja übergeben hat. Das begrüßen wir ausdrücklich. Das ist richtig, und das ist ein wichtiges Zeichen an die Länder.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)