Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Man kann der Wehrbeauftragten für diesen Bericht und die Offenheit, mit der zumindest einige Probleme offen angesprochen werden, nur dankbar sein. Das Problem ist nur, dass diese eben nicht neu sind und sich bis heute nichts Substanzielles verändert hat.
Eine schlüssige Erklärung für eines der größten jahrelangen Probleme, nämlich das Versickern von Steuergeldern im Beschaffungswesen, bleibt der Bericht leider auch in diesem Jahr schuldig; denn kaum ein größeres Beschaffungsprojekt wurde in den letzten Jahren ohne Verzögerungen, Preissteigerungen oder Mängel abgewickelt. In einem Bericht des Bundesrechnungshofes aus dem letzten Jahr werden der Bundesregierung schwere Versäumnisse in Sachen der Korruptionsbekämpfung im Bereich des Beschaffungswesens vorgeworfen. Doch geändert hat sich bislang kaum etwas, und im Wehrbericht taucht das Wort „Korruption“ oder gar „Korruptionsbekämpfung“ nicht einmal auf.
Ein anderes Beispiel ist die Beauftragung der Lürssen Werft mit dem Bau von zwei Tankschiffen. Die kosten dann mal 250 Millionen Euro mehr als ursprünglich veranschlagt. Wollte man nicht vor einem Jahr das Beschaffungswesen auch genau wegen solcher Vorfälle reformieren? Auch davon ist bis heute leider nicht viel zu spüren.
Ich sage Ihnen: Solange die Rüstungsindustrie nicht endlich wirksam auch vertraglich in die Pflicht genommen wird, konsequent für Verzögerungen und Kostensteigerungen bei Rüstungsprojekten zu haften, bleibt das Beschaffungswesen ein Fass ohne Boden und für die hiesigen Waffenschmieden – wen wundert es? – ein äußerst beliebter Auftraggeber, und das alles auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Das nenne ich verantwortungslos.
(Beifall bei der LINKEN)
Verantwortungslos ist auch, dass die Mär von der kaputtgesparten Bundeswehr hier einfach unisono weiter bedient wird. Das Gegenteil ist doch der Fall; denn der Verteidigungshaushalt hat sich seit dem Jahre 2005 mehr als verdoppelt, und das ohne die 100 Milliarden Euro Sonderschulden.
Nun steht im Wehrbericht, dass Sie den Irrsinn der Sonderschulden sogar noch verdreifachen wollen: Schlappe 300 Milliarden Euro seien notwendig, um sämtliche Fehlbestände auszugleichen. Militärische Expertinnen und Experten hätten Ihnen das so mitgeteilt. Ja, vielleicht fragen Sie einfach mal auch ein paar andere Experten und nicht nur einzelne Institute, die Freunde der Lobbyindustrie oder auch Lobbyistinnen und Lobbyisten als solche. Dann kommen Sie wahrscheinlich zu ganz anderen Ergebnissen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Johannes Arlt [SPD])
Apropos Lobbyismus: Wer bei Ihnen keine Lobby zu haben scheint, das sind die Minderjährigen in diesem Lande. Damit meine ich nicht die bis heute ausbleibende Kindergrundsicherung, um die sich die Bundesregierung auf offener Bühne ein trauriges Schauspiel leistet. Mehr als 150 Staaten haben sich richtigerweise verpflichtet, auf die Rekrutierung von Minderjährigen zu verzichten. Die Bundesregierung hingegen ignoriert seit dem Jahre 2008 die mehrfache Aufforderung der UN, auf diese Rekrutierungspraxis zu verzichten, und eine bereits erteilte Rüge aus Genf scheint Sie auch nicht sonderlich zu interessieren.
Auf meine schriftliche Frage hin teilten Sie mit, dass alleine im vergangenen Jahr 1 773 unter 18-Jährige für die Bundeswehr rekrutiert worden sind.
(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Die alle nach ein paar Wochen 18 wurden! Das wissen Sie ganz genau!)
Das sind über 500 mehr als im Jahr zuvor. Seit der Aussetzung der Wehrpflicht vor zwölf Jahren wurden so bereits knapp 17 600 Minderjährige in die Truppe eingezogen. Und begründet wird diese Praxis damit, dass ja schließlich Personalmangel herrsche.
(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Das sind Unsinnsgeschichten, die Sie erzählen!)
Die geplante Aufstockung der Bundeswehr um 20 000 Soldatinnen und Soldaten bis zum Jahre 2031 wird also auf dem Rücken Minderjähriger ausgetragen, und das ist absolut schäbig.
(Beifall bei der LINKEN – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Das wird wirklich immer schlimmer! Sie sollten sich wieder hinsetzen!)
Deshalb fordern wir Sie auf, genauso wie etliche Kinderschutz- und Menschenrechtsorganisationen oder auch die Kampagne „Unter 18 nie!“: Beenden Sie endlich diese unwürdige Praxis; denn Minderjährige haben bei der Bundeswehr nichts verloren, meine Damen und Herren.
(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Beenden Sie Ihre Rede!)
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der LINKEN)