Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschland ist der fünftgrößte Waffenexporteur der Welt
(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Ah!)
und verdient an jedem Krieg, egal ob er in Libyen, Syrien oder im Irak stattfindet. Völlig zu Recht wird der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine verurteilt. Aber deshalb finde ich es unverantwortlich, dass die Regierung zum völkerrechtswidrigen Krieg der Türkei gegen die Kurdinnen und Kurden im Irak und in Syrien nur schweigt.
(Beifall bei der LINKEN – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Zur Tagesordnung, bitte!)
Wenn wir für das Völkerrecht eine andere Stellung wollen, müssen wir das selbstverständlich von Russland verlangen; aber dann dürfen auch die NATO nicht mehr das Völkerrecht wie beim Krieg gegen Serbien und die USA beim Krieg gegen den Irak – –
(Zuruf von der CDU/CSU – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Zur Tagesordnung!)
– Die CDU und die FDP haben mir glücklicherweise nicht vorzuschreiben, was ich zu sagen habe.
(Beifall bei der LINKEN – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Die Geschäftsordnung, Herr Gysi! Die Geschäftsordnung hat das vorzuschreiben! – Stephan Brandner [AfD]: Aber die Tagesordnung! Sie wissen schon, wo der Sudan ist, oder? – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Kommen Sie mal zur Sache! – Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Der hat die Rede verwechselt! Die liegt in der anderen Mappe!)
Noch einmal: Wir müssen von Russland die Einhaltung des Völkerrechts verlangen, aber auch von den anderen. Alle müssen das Völkerrecht einhalten, wenn es als universelles Recht funktionieren soll.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Fraktion hat zu Recht immer auch gegen den internationalen Einsatz der Bundeswehr im Sudan und später im Südsudan gestimmt – schon deshalb, weil diese Einsätze weder für eine nachhaltige Befriedung sorgten noch die Situation der Bevölkerungen verbesserten. Letztlich erhofften sich die USA und die EU mit der von ihnen beförderten Abspaltung des Südsudan einen erleichterten Zugriff auf dessen Erdölressourcen. Egon Bahr hatte im Unterschied zu anderen recht, als er sagte: In der internationalen Politik geht es immer um Interessen, nicht um Werte.
(Beifall bei der LINKEN)
Heute geht es um die Evakuierung von deutschen Staatsbürgerinnen und ‑bürgern, darunter nicht wenige Entwicklungshelferinnen und Entwicklungshelfer, und, was zu begrüßen ist, auch Bürgerinnen und Bürgern anderer Staaten durch die Bundeswehr aus einer entsetzlichen militärischen Auseinandersetzung im Sudan. Andere Länder haben ihre Bürgerinnen und Bürger zivil auf dem Landweg evakuiert. Das dauert viele Stunden, ist auch riskant; trotzdem hätte man diese Möglichkeit prüfen sollen.
Warum steht in dem Antrag, dass insbesondere zum Schutz der Personen von militärischer Gewalt Gebrauch gemacht werden darf? Andere Gründe kenne ich nicht. Glücklicherweise war es nicht nötig. Warum bestand übrigens vorher keine Kenntnis über eine solche bevorstehende Situation? Ich erinnere an das Chaos in Afghanistan. Die Militarisierung der Außenpolitik erhöht das Risiko für diejenigen, die zivil helfen; sie führt nicht zum Frieden, nicht zu einer tragfähigen Entwicklung.
(Beifall bei der LINKEN – Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie mal den Thread von Jan van Aken zu dieser Frage, Herr Gysi! Er hat was Kluges aufgeschrieben! – Gegenruf des Abg. Jan Korte [DIE LINKE]: Jetzt warten Sie doch erst mal ab, Mann!)
Natürlich wollen auch wir die Evakuierung. Niemand von uns stimmt dagegen. Eine Mehrheit wird zustimmen; einige werden sich enthalten. Wir stimmen zu, weil den deutschen Entwicklungshelferinnen und Entwicklungshelfern und vielen anderen dringend geholfen werden musste.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Der Einsatz ist wohl beendet. Sie dürfen aber auch die Ortskräfte nicht vergessen.
Es bleibt dabei: Wir werden die direkte oder indirekte militärische Einmischung in die Angelegenheiten anderer Staaten immer ablehnen. Sie haben aber eine Chance: Wenn Sie festlegen, dass die Bundeswehr international nur noch zur Evakuierung von Menschen, deren Gesundheit und Leben gefährdet ist, eingesetzt wird, dann kriegen Sie auch immer unsere Zustimmung, –
(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Lange drei Minuten!)
– aber nicht für die militärische Einmischung und nicht für das Geldverdienen an Rüstungsexporten.
(Beifall bei der LINKEN)