Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, vor bald acht Jahren wurde hier im Hause ein Gesetz verabschiedet, welches geschäftsmäßige Suizidhilfe unter Strafe stellte. Vor 2015 gab es in 150-jähriger Verfassungsgeschichte Deutschlands nie eine Regelung dazu. Und doch gab es die Grauzone, die durch Sterbehelfer und Sterbehilfevereine mehr oder weniger gut oder schlecht gefüllt wurde.
Bei Sterbehilfevereinen muss man Mitglied werden, und für die eigentliche Sterbehilfe dieser Vereine ist eine erhebliche, vierstellige Summe zu zahlen. 2015 nun machte ein deutscher Sterbehilfeverein nicht nur geschäftsmäßig, also auf Wiederholung angelegt, sondern scheinbar auch gewerbsmäßig, also wiederholend und mit Gewinnerzielungsabsicht, sein Angebot. Daraufhin meinte eine Mehrheit des Bundestages, Suizidhilfe praktisch komplett verbieten zu müssen. Das damals verabschiedete Gesetz erklärte das Bundesverfassungsgericht 2020 für verfassungswidrig, weil es – ich zitiere – „Möglichkeiten einer assistierten Selbsttötung“ faktisch entleerte. Das Gesetz wurde für nichtig erklärt.
Zwischen 2015 und 2020 suchten Hunderte Menschen Hilfe im Ausland. Dazu mussten sie sowohl körperlich in der Lage sein, aber eben auch finanziell so ausgestattet sein, dass sie das konnten. Wie viele Menschen letztlich von Sterbehilfe abgeschnitten waren, das wissen wir überhaupt nicht. Aber wir ahnen, dass es viele gibt, die vollkommen unnötig leiden mussten.
Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2020 ist Suizidhilfe nun wieder ungeregelt. Eine Regelung – so das Bundesverfassungsgericht – muss sich an der „Vorstellung vom Menschen als einem geistig-sittlichen Wesen“ ausrichten, „das darauf angelegt ist, sich in Freiheit selbst zu bestimmen“. Dem Bundestag liegt nun ein Gesetzentwurf vor, der wörtlich den Paragrafen zur Strafbarkeit der Sterbehilfe enthält, den das Bundesverfassungsgericht abgewiesen hat.
(Dr. Lars Castellucci [SPD]: Weiterlesen! – Benjamin Strasser [FDP]: Das stimmt nicht! Das ist einfach sachlich falsch!)
Außerdem erklärt er Menschen, die einen Sterbewunsch äußern und Sterbehilfe wünschen, als Erstes zu Fällen für Psychiatrie und Psychotherapie.
(Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist falsch!)
Meine Damen und Herren, Sie alle haben doch mit solchen Betroffenen gesprochen. Sie wissen doch, was das bedeutet. Dadurch werden sich viele unverstanden und vor den Kopf gestoßen fühlen.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Solche Regelungen, auch mit den Ausnahmen, werden erneut vor Gericht verhandelt werden. Das bedeutet wieder jahrelange Unsicherheit plus die Gefahr, dass wir wieder in eine regelungsfreie Zeit fallen. Regelungen, die bereits für verfassungswidrig erklärt wurden, sollten wir daher heute nicht beschließen.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das Strafrecht ist schlicht keine Antwort an Menschen, die ihr verfassungsrechtlich geschütztes Persönlichkeitsrecht auch ausüben möchten. Eine umfassend angelegte und lebensweltlich orientierte Beratung wird Hürden abbauen. Sie ist ergebnisoffen und damit suizidpräventiv zugleich. Auch wir haben ein Schutzkonzept. Es stimmt schlicht nicht, dass dem anderen Gesetzentwurf kein Schutzkonzept mit der Beratung zugrunde liegt. Die Lebenssituation, Unterstützungs- und Betreuungsangebote, Hilfsangebote, Handlungsalternativen zur Selbsttötung sollten besprochen, aber eben auch Fragen zu den Folgen einer Selbsttötung beantwortet und fehlgeschlagene Suizidversuche für das persönliche und das familiäre Umfeld thematisiert werden. Sollte sich während der Beratung zeigen, dass man psychiatrische und psychotherapeutische Hilfe braucht, dann ist diese aus dieser Beratung heraus selbstverständlich zu vermitteln. Wir wollen Suizidwünsche eben nicht fördern. Das ist eine unhaltbare Unterstellung,
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
die sich aus dem Gesetzestext nicht ableiten lässt. Aber wir wollen Suizidhilfe eben auch nicht kriminalisieren.
Und schließlich ist mir Folgendes wichtig – und das ist neu –: Dieses Beratungsangebot, das wir unterbreiten, ist für jeden zugänglich. Es ist niedrigschwellig. Es steht jedem unentgeltlich offen. Ich gehe und meine Gruppe geht davon aus, dass wir genau deswegen jeder Form des Geschäfts mit Suizidhilfe den Boden entziehen. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)