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Handlungsempfehlungen statt Pranger

Rede von Frank Tempel,

Tagesordnungspunkt 3: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic, Dr. Konstantin von Notz, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), Frank Tempel und weiterer Abgeordneter: Einsetzung eines Untersuchungsausschusses Drucksachen 18/1475, 18/1948

Vizepräsident Peter Hintze:

Als nächstem Redner erteile ich dem Abgeordneten Frank Tempel für die Fraktion Die Linke das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)

Frank Tempel (DIE LINKE):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Diskussionen rund um den Fall Sebastian Edathy bewerten wir sicherlich alle sehr unterschiedlich. Aber in der Öffentlichkeit ist erneut der Eindruck entstanden, dass für herausgehobene Politiker bei Strafverfahren Sonderregelungen gelten.

Bis heute steht die Frage im Raum, ob Sebastian Edathy eine Vorwarnung erhielt. Die Presse fragt nach wie vor immer wieder danach. Es steht auch die Frage im Raum, ob die Ermittlungen mit Blick auf die Bundestagswahl und die darauf folgende Regierungsbildung zurückgehalten wurden, um den Skandal abzuwarten.

Über diese Diskussionen sind dann noch weitere Fragen aufgetaucht, zum Beispiel, warum es im Bundeskriminalamt bei einem Großverfahren zu kinderpornografischem Material grundsätzlich so lange dauert, bis Ermittlungen in Gang kommen. Ist es Nachlässigkeit, oder fehlt es vielleicht an Ausstattung oder Personal? Muss man hier nachjustieren? Wie breit ist der Kreis derer, die Zugang zu sensiblen Daten haben? Sind die Datenschutzmechanismen gerade in solchen Verfahren ausreichend?

Ich bin mir sicher, dass irgendwann auch der Letzte begreift, dass durch solche Fragen das BKA nicht etwa an den Pranger gestellt wird, sondern dass Mechanismen überprüft und gegebenenfalls nachgebessert werden sollen. Das ist übrigens unsere verfassungsmäßige Aufgabe, nicht wahr, Herr Schuster? Ich habe von Ihrem Pressegespräch heute gelesen.

(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war wirklich unnötig!)

Als Parlament haben wir eine Kontroll- und Aufsichtspflicht gegenüber der Exekutive. Das ist unsere Aufgabe, der wir im Innenausschuss, aber auch im Untersuchungsausschuss nachkommen dürfen.

Ich möchte aber noch einmal betonen, auch um Missverständnisse zu vermeiden, dass wir nicht die Aufgabe der Justiz übernehmen wollen. Das heißt, im Untersuchungsausschuss werden keine Beschuldigten, sondern Zeugen gehört. Das ist auch der Opposition sehr bewusst. Ich bitte, dass uns nicht immer anderes unterstellt wird.

Im Idealfall klären wir nämlich nicht nur Vorgänge auf, sondern kommen über den Untersuchungsausschuss gemeinsam zu Handlungsempfehlungen. Das ist auch immer zukunftsweisend.

Wer bestimmt denn bisher, wie geregelt ist, was ein Innenminister wann durch das BKA zu erfahren hat und wie mit diesen Informationen umgegangen werden kann? Wie geht ein Minister also in Zukunft mit solchen Informationen um? Welche Eigendynamik entwickelt eine solche Information, wenn sie das Innenministerium verlässt? Dazu brauchen wir auch die aktive Mitarbeit der SPD. Denn hier haben schließlich Einzelpersonen diese Informationen erhalten. Wenn wir die Frage klären wollen, wie wir in Zukunft damit umgehen, dann müssen wir die Eigendynamik und die Informationen betrachten und entsprechend werten. Das sollte uns dann Warnung sein. Das funktioniert natürlich nur, wenn Mitwirkende als Zeugen gehört werden und nicht das Gefühl haben, im Untersuchungsausschuss am Pranger zu stehen.

Vier Innenausschusssitzungen haben die angesprochenen Fragen nicht beantworten können. Ich bin überzeugt, dass über die Regelung zum Geheimnisverrat, die hier zur Debatte steht, anders diskutiert werden muss als bisher in der Öffentlichkeit. Wir haben schließlich vor Augen, was passieren kann, wenn sich ein Innenminister, der in herausgehobener Position ist, nicht daran hält, obwohl das für alle Amtsträger – auch ein Innenminister ist ein solcher – klar in einem gesetzlichen Paragrafen geregelt ist. Wir müssen das alles immer mit dem Blick darauf tun, wie wir in Zukunft damit umgehen.

Viele Fragen sind noch offen bzw. nicht ausreichend beantwortet – auch nicht im Innenausschuss –, weil sich viele dort wie Beschuldigte und nicht wie Mitwirkende an einem Aufklärungsprozess vorkamen. Ich bin froh, dass wir nun in dem einzusetzenden Untersuchungsausschuss diese Fragen beantworten und dann entsprechend nachjustieren können. Dafür bedanke ich mich. Es geht um die Frage, wie damit politisch umgegangen wird. Es besteht jederzeit die Gefahr, dass ein Schwarzer-Peter-Spiel gespielt wird, dass also die Verantwortung immer genau dorthin geschoben wird, wo Behörden oder andere Fraktionen politische Verantwortung tragen und in der Bredouille sind. Dieses Spiel dürfen wir hier nicht spielen. Sonst kommt es zu einem schlimmen Kreislauf, und der Untersuchungsausschuss wird sehr unschön.

Ich habe Vertrauen in die Führung des Untersuchungsausschusses und glaube, dass wir das Spiel, welches Ministerium mehr Schuld hatte, erst gar nicht beginnen, sondern dass wir Antworten für die Zukunft finden.

Ich bin froh, dass es beim Untersuchungsauftrag einen Kompromiss gegeben hat, mit dem wir den Untersuchungsausschuss starten; denn wirkliche Handlungsempfehlungen können wir nur fraktionsübergreifend erarbeiten. Dafür bedanke ich mich, genauso wie bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die an diesem Auftrag mitgearbeitet haben.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)