Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Grundlagen des Drogenstrafrechts kenne ich vorrangig aus der polizeilichen Praxis. Ich war unter anderem drei Jahre stellvertretender Leiter einer mobilen Rauschgiftbekämpfungsgruppe.
Offizieller Zweck des Drogenstrafrechts ist es, Angebot und Nachfrage zahlreicher Drogen zumindest deutlich zu reduzieren. Der Weg ist gegenwärtig, Menschen nicht nur wegen des Handels, sondern auch wegen Besitzes und Erwerbs dieser Substanzen mit einer Strafandrohung zu konfrontieren. Das Ergebnis ist: Angebot und Nachfrage werden ganz offensichtlich nicht reduziert. Im Gegenteil: Wir haben einen ausufernden Schwarzmarkt mit Betäubungsmitteln als Hauptfinanzierungsquelle der organisierten Kriminalität.
Substanzen werden unter den Rahmenbedingungen des Schwarzmarktes oft noch gefährlicher, sind vielfach verunreinigt und gestreckt und damit noch unberechenbarer. Gerade jungen Menschen ist dieser Schwarzmarkt sehr leicht zugänglich. Drogen sind ganz einfach zu gefährlich, um sie Kriminellen auf einem Schwarzmarkt zu überlassen.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es erweist sich: Umso gefährlicher die Droge an sich bereits ist, umso gefährlicher sind die Nebenwirkungen des Verbots. Trotzdem setzen Sie die Strafverfolgung bereits sehr früh, nämlich beim Konsumenten direkt an. Das heißt, wer einen Joint raucht, besitzt ihn auch und macht sich damit strafbar. Er schädigt möglicherweise auch sich selbst, lebt ungesund, aber er schadet definitiv keiner anderen Person.
Heute entscheiden wir über eine wissenschaftliche Evaluierung, also eine Überprüfung genau dieses Drogenstrafrechts. Parallel kann aber auch die Praxis ein Weg der Überprüfung sein. In Berlin, Bremen, Münster, Düsseldorf, Frankfurt am Main und Köln wird darüber diskutiert, Cannabis in Modellprojekten legal anzubieten und somit dem Schwarzmarkt zu entziehen. Im Wesentlichen von den Unionsparteien bekommen wir hierfür häufig den Vorwurf einer falschen Signalwirkung. Macht aber zum Beispiel Bremen ein solches Modellprojekt und ermöglicht kontrolliert den legalen Erwerb von Cannabis, kann sehr genau evaluiert werden, welche Signalwirkung tatsächlich entsteht: Wie wird sich das Konsumverhalten in der Bevölkerung dann entwickeln? Steigen oder sinken die Risiken für Jugendliche? Gelingt es, den konsumierten Wirkstoffgehalt THC zu reduzieren? Verbessern sich die Möglichkeiten, durch begleitende Prävention und Beratung den riskanten Konsum zu reduzieren?
Sind diese Modellprojekte erfolgreich, erweist sich die jahrelange Prohibition von Cannabis als völlig absurd,
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
erweist sich ein wesentlicher Bestandteil der heutigen Drogenpolitik als absurd. Solche Modellprojekte funktionieren aber nur, wenn dem Konsumenten nach Verlassen der Abgabestelle keine Strafanzeige droht und wenn die Polizei zum Beispiel die gekauften 5 Gramm Cannabis nicht beschlagnahmt. Im Gesetz steht aber bislang: Besitz und Erwerb sind strafbar. – Die Lösung wäre eine gesetzliche Entkriminalisierung des Besitzes geringer Mengen.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Selbst das Bundesverfassungsgericht hat 1994 in einer Entscheidung zumindest die Strafbarkeit geringer Mengen infrage gestellt. Nach der jetzigen Rechtslage werden bei diesen Mengen von der Polizei mit hohem Aufwand Anzeigen gefertigt, die die Justiz dann mit ebenfalls nicht geringem Aufwand oft wieder einstellt. Die Linke schlägt deswegen vor, unterhalb einer festgelegten Menge keine Strafanzeigen mehr zu stellen und damit den Weg für die genannten Modellprojekte in den Ländern zu eröffnen.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Nach unserem Vorschlag gälte das – im Gegensatz zu den geltenden Regelungen – im gesamten Bundesgebiet. Das heißt, wer einen Joint kauft, bekommt keine Strafanzeige mehr. Der Joint wird nicht beschlagnahmt, und man wird von der Polizei auch nicht mehr in der Falldatei Rauschgift registriert. Wenn man nicht unter Rauscheinfluss ein Fahrzeug geführt hat, bleibt auch der Führerschein unangetastet. Portugal wird übrigens genau für diesen erfolgreichen Weg international gelobt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch Strafanzeigen, die wieder eingestellt werden, wirken kriminalisierend. Diese Kriminalisierung ist falsch und muss aufhören. Egal wie lange sich die Union – sie ist hauptsächlich der Gegner – diesen Veränderungen noch entgegenstemmt, zumindest die Linke wird diesen Kampf fortsetzen und gewinnen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)