Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Viele Innenstädte in Deutschland sterben. Gerade nach der Coronakrise stehen das Kleingewerbe und der Mittelstand unter Druck. Amazon hingegen feierte im letzten Jahr eine Coronaparty mit Rekordumsätzen. Diese krasse Wettbewerbsverzerrung muss ein Ende haben, meine Damen und Herren!
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Der Deutschlandfunk schreibt dazu – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –:
"Im Pandemiejahr 2020 hat der Logistikkonzern seinen Umsatz weltweit um mehr als ein Drittel erhöht. Auch in der EU stieg der Umsatz von Amazon um 36 Prozent auf rund 44 Milliarden Euro. Aber weil die Luxemburger Tochter von Amazon, in der das Europageschäft weitgehend gebündelt ist, gleichzeitig einen Verlust von 1,2 Milliarden Euro auswies, zahlte Amazon in dem Rekordjahr null Euro Körperschaftssteuer in der EU."
Denn Amazon verschiebt Gewinne durch künstliche Kredite und Lizenzgebühren, die es an seine eigenen Tochterfirmen in Steueroasen zahlt, wie Amazon-Pakete über Ländergrenzen und in Steueroasen in der EU. Dort werden diese Einnahmen aber häufig nicht als Gewinn behandelt und versteuert. Amazon kauft auch weltweit Unternehmen auf, um sich aufzupumpen, Märkte zu beherrschen und Gewinne künstlich kleinzurechnen.
Der Internationale Währungsfond regte kürzlich die Einführung einer sogenannten Übergewinnsteuer an, und zwar zusätzlich zu den Debatten, die wir auf internationaler Ebene über die Mindestbesteuerung haben.
(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)
Eine solche Übergewinnsteuer soll abnormale Profite abschöpfen. Dabei werden Gewinne mit einer normalen Situation, also keiner Pandemie, verglichen und eine gewisse Wachstums- und Investitionsrate unterstellt. Eine solche Steuer gab es bereits in den USA, in Kanada, in Frankreich und Italien;
(Zuruf des Abg. Fritz Güntzler [CDU/CSU])
und Großbritannien erwägt, diese einzuführen.
Damit alleine würde man Amazon aber nicht treffen, da sie ja behaupten, gar keine Gewinne in Europa zu erzielen, und nur Gewinne betroffen wären, die der deutschen Gewinnbesteuerung unterliegen. Daher braucht es eine ergänzende Maßnahme: Quellen- oder Strafsteuern auf Finanzflüsse in Steueroasen, meine Damen und Herren!
(Beifall bei der LINKEN)
Das heißt, wenn Amazon Deutschland einen fiktiven Zins auf einen fiktiven Kredit von – sagen wir – Amazon Luxemburg nach Luxemburg zahlt, würde bereits darauf eine Steuer entrichtet. Mit solchen Maßnahmen, nur mit Druck, erhöhen wir den Anreiz für Steuerkooperation.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir haben ja nun eine Einigung auf eine Mindeststeuer auf Ebene der G-7-Staaten, auf die der Finanzminister besonders stolz ist. Aber diese soll gerade einmal 15 Prozent betragen. Das ist ungefähr das Niveau von Irland, der Schweiz oder Singapur.
(Zuruf des Abg. Sebastian Brehm [CDU/CSU])
Selbst US-Präsident Biden wollte eine höhere Mindeststeuer, nämlich in Höhe von 21 Prozent. Deswegen haben Facebook, Amazon und Co die Mindeststeuer auch begrüßt. Die wissen nämlich, dass sie dadurch kaum mehr Steuern in Europa zahlen werden. Denn was bringt eine Mindeststeuer, wenn wir am Ende zwar eine Mindeststeuer haben, aber dann alle die Steuern auf das Niveau von Irland senken? Ich warte nur auf den Tag, wo der BDI auf genau diese Idee kommt.
(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Carsten Schneider [Erfurt] [SPD])
Auch das Finanzministerium scheint übrigens von der derzeitigen Lösung nicht so beeindruckt zu sein, wie das manchmal in den Pressemitteilungen im Wahlkampf so klingt. Ich habe nämlich das Finanzministerium gefragt, wie viel Mehreinnahmen sie denn von der jetzt gefundenen Vereinbarung erwarten. Sie sprachen davon, dass sie das gar nicht sagen können und moderate fiskalische Impulse erwarten würden. Das klingt nicht nach einem großen Wurf.
Die EU und auch der deutsche Finanzminister wollten keinen höheren Steuersatz durchsetzen, weil sie befürchteten, dass ihnen sonst die EU-Steueroasen wie Irland oder Luxemburg von der Fahne gehen. Deswegen wäre es aber gerade richtig gewesen, den Druck durch Straf- bzw. Quellensteuern zu erhöhen, damit wir sie zwingen, dass sie sich in dieser Debatte bewegen.
(Beifall bei der LINKEN)
Und so haben sie es ja bereits gemacht, nämlich für die Länder, die auf der schwarzen Liste der EU für Steueroasen stehen. Das Problem ist aber: Das sind nicht die relevanten Steueroasen. Selbst mit einem Unternehmensteuersatz von Null landet man nicht automatisch auf dieser Liste. Das ist so, als wenn ich mit 100 Prozent Alkohol im Blut in die Alkoholkontrolle fahre und sage: Ich bin nüchtern.
(Otto Fricke [FDP]: Dann bist du schon lange tot!)
Ein weiteres Problem: Auch mit der jetzt gefundenen Lösung um die Mindestbesteuerung ist noch überhaupt nicht klar, wer den Anspruch auf die zusätzlichen Steuern hat, sofern sie denn überhaupt anfallen. Denn Steuern stehen grundsätzlich dem Land zu, in dem Konzerne ihren Muttersitz haben. Das sind nun einmal bei den Big-Tech-Konzernen die USA. Es gibt deswegen eine Diskussion um die Säule 1 im OECD-Prozess. Da geht es darum, zu gucken, wo diese Konzerne ihre Umsätze erwirtschaften. Wenn sie dann einen bestimmten Anteil in Deutschland erwirtschaften, dann stünde ihnen auch ein gewisser Anteil des Steuerkuchens zu. Eine Einigung darüber ist aber noch nicht erzielt. Wir müssen dazu den G-20-Gipfel in Venedig im Juli abwarten. Es ist derzeit noch nicht einmal klar, dass Amazon unter diese Regelung fallen würde, weil es auch eine Gewinngrenze gibt.
Deswegen sagt der französische Ökonom und renommierte Ungleichheitsforscher Thomas Piketty, dass die G 7 mit diesem Kompromiss – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –, Steuerhinterziehung legalisieren würde. Er fragte rhetorisch – Zitat –: Glauben die, dass wir dumm sind? Ich würde auch gerne 15 Prozent Steuern zahlen.
Wir sind nicht dumm. Deswegen sagt Die Linke: Es braucht eine Übergewinnsteuer und Strafsteuern auf Finanzflüsse in Steueroasen.
(Beifall bei der LINKEN)