Verehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist Freitag, zur späten Stunde. Aber ich glaube, das Thema ist so wichtig, dass wir das tatsächlich noch behandeln sollten.
Wir haben uns schon mal mit der Firma Vestas beschäftigt, und zwar im Ausschuss für Klimaschutz und Energie. Alle Fraktionen waren eingeladen. Wir haben mit den Kolleginnen und Kollegen gesprochen. Sie haben uns ihre Arbeitsbedingungen geschildert. Sie haben vor allen Dingen geschildert, dass sich ihr Arbeitgeber, ein riesengroßer Hersteller und Betreiber von Windenergieanlagen, weigert, mit ihnen einen Tarifvertrag abzuschließen. Jetzt könnte man sagen: Das gibt es öfter. Warum behandeln wir das hier? – Das wird Ihnen gleich deutlich werden.
Ich glaube, die Arbeitsbedingungen brauche ich Ihnen nicht zu schildern. Sie arbeiten oben an diesen Kanzeln, wo unsereiner wahrscheinlich die Augen zumachen müsste; schwierigste Arbeitsbedingungen, große Anstrengungen. Wenn es so weit kommt, dass die Beschäftigten dieses Unternehmens streiken, und zwar seit inzwischen über 100 Tagen, dann ist das ein Zeichen, dass da irgendwas nicht stimmt; denn einfach so streikt in diesem Land keiner, auch nicht die Beschäftigten in der Windenergie. Die wollen nämlich, dass wir mit der Windenergie vorankommen.
Der Arbeitgeber hat nach der ersten Diskussion, nachdem wir uns eingeschaltet haben, Verhandlungen aufgenommen. Jetzt könnte man sagen: Das hat was genutzt, alles positiv. – Aber das Problem ist, dass die Verhandlungen so verlaufen sind: Der Arbeitgeber hat Angebote gemacht und sie dann wieder zurückgezogen. Dann hat er einfach wieder die Verhandlungen abgebrochen. Dann hat er ein schlechteres Angebot vorgelegt als vorher,
(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Unglaublich!)
sodass die Kolleginnen und Kollegen letztlich gezwungen waren, den Arbeitskampf wieder aufzunehmen.
Meine Damen und Herren, das ist für uns deshalb spannend, weil wir mit der Windenergie nur dann vorankommen, wenn wir in dieser Branche vernünftige Arbeitsbedingungen haben
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
und die Menschen, die in dieser Branche arbeiten, nicht gezwungen sind, ihre Arbeit mehr oder weniger einzustellen, um vernünftige Löhne, vernünftige Arbeitsbedingungen usw. durchzusetzen. Deshalb ist das von Interesse, und deshalb müssen wir als Parlament hier Hilfe leisten.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir können schlichtweg nicht zulassen und akzeptieren, dass sich in dieser Zukunftsbranche solche Bedingungen breitmachen, dass beispielsweise ein Riesenunternehmen wie Vestas das, was wir alle hier eigentlich immer im Konsens diskutieren – das Tarifvertragssystem mit Tarifverträgen und Tarifautonomie ist die Grundlage unseres Sozialsystems –, ignoriert. Wenn einer daherkommt und nicht mal mit der anderen Seite verhandelt, sondern die andere Seite hinter die Fichte führt, wie ich gerade dargestellt habe, dann müssen wir hier eindeutig ein Zeichen setzen und sagen: So geht das nicht!
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Er muss auch spüren, dass das, was er dort treibt, hier im Parlament zur Kenntnis genommen wird. Deshalb haben wir das Thema auf die Tagesordnung gesetzt, und ich hoffe, dass wir noch eine richtig schöne Debatte haben werden. Ich bin gespannt, was Sie dazu sagen.
Wichtig ist es für uns deshalb: Wenn wir mit dem Ausbau der Windenergie vorankommen und die gesteckten Ziele erreichen wollen – ich habe mal geguckt, wie weit wir da sind –, müssen wir bis 2030 jedes Jahr rund 7 Gigawatt Windenergie zubauen. In diesem Jahr sind wir bei 0,7 Gigawatt. Ich weiß nicht, ob allen klar ist, dass die Hälfte des Jahres schon rum ist. Wenn das so weitergeht, hätten wir das Ziel in 2030 um 38 Gigawatt verfehlt, zu wenig.
Wir schaffen diese Leistung nur, wenn wir diesen Aufbau auch konfliktfrei zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern hinkriegen. Das liegt aber eben nicht an den Arbeitnehmern – Tarifverträge sind etwas Normales –, sondern es liegt an diesem Arbeitgeber, der offensichtlich nicht bereit ist, das, was in dieser Republik üblich ist, zu akzeptieren. Und dagegen brauchen wir hier gemeinsamen Protest, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Deshalb regen wir an, dass künftig zu den Anforderungen in den Ausschreibungen auch das Kriterium „Vorhandensein von Tarifverträgen“ gehört.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dann hat man so ein Problem gelöst. Und wir regen an, die Bundesnetzagentur aufzufordern, künftig nur dann die Anlagen von Betreibern zu fördern, wenn diese über die gesamte Kette – vom Windradbauer über die Installation bis hin zum Betrieb der Anlagen – die Einhaltung von Tarifverträgen nachweisen können.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir machen uns Gedanken über ein Lieferkettengesetz, aber wir haben selber im eigenen Land Bedingungen, von denen wir sagen müssen: Mein Gott, was haben wir uns da eigentlich für Leute eingefangen!
Der Ausbau der Windenergieanlagen muss gelingen; aber er gelingt nur mit anständigen Tarifverträgen für die Beschäftigen. Helfen Sie bitte mit, damit wir das erreichen, auch im Interesse des Klimaschutzes!
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)