Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben diese Aktuelle Stunde beantragt, nachdem wir in den letzten Tagen in den deutschen Medien immer neue aberwitzige Zahlen über den von der sogenannten deutschen Finanzindustrie aufgehäuften Giftmüll nachlesen durften.
(Zuruf von der CDU/CSU: Sogenannten!)
Wenn man dem Spiegel folgt, geht es um 300 Milliarden Schrottpapiere, wenn man den berühmten Börsenkreisen folgt, um 600 bis 800 Milliarden Schrottpapiere, wenn man der Süddeutschen Zeitung und dem Handelsblatt von gestern folgt, um 1000 Milliarden sogenannte Schrottpapiere. Die Einzigen, die informiert werden, sind offensichtlich die sogenannten informierten Kreise des Bundesfinanzministeriums, der Finanzaufsicht und der führungslos gewordenen Bankenrettungsanstalt.
(Beifall bei der LINKEN)
Das Parlament wird nicht informiert. Ehrlich gesagt hätte ich es mir nicht träumen lassen, dass es das Schicksal eines deutschen Parlamentariers ist, sich bei Spiegel Online über die Pläne der Bundesregierung informieren zu müssen. Aber das ist der Zustand in diesem Haus.
(Beifall bei der LINKEN Zuruf von der CDU/CSU: Haben Sie Ihre Krawatte vergessen?)
Sie setzen hier Ihre Strategie der letzten Monate die Finanzkrise dauert schon länger , des letzten Jahres fort: tricksen, verschweigen, schönreden, nichts bekanntgeben. Meine Damen und Herren, nehmen Sie sich ein Beispiel an dem neu gewählten amerikanischen Präsidenten, der seinem Volk wenigstens die Wahrheit über das sagt, was los ist, und versucht, angemessene Antworten zu formulieren.
(Beifall bei der LINKEN Zuruf von der CDU/CSU: Wo sie vorher schon dreimal das Konzept geändert haben!)
Noch mehr alarmiert sind wir wegen der Art und Weise, in der Sie offensichtlich mit dem Problem umzugehen gedenken. Das muss man einmal ins Deutsche übersetzen. Sie befinden sich offensichtlich in heftigen Diskussionen über die Gründung einer Bad Bank. Übersetzt heißt das: üble Bank.
(Zuruf von der CDU/CSU: Sagen wir mal: schlechte Bank!)
Mittlerweile haben Sie sich, wie wir den Gazetten entnehmen, dazu durchgerungen, eine üble Bank light zu gründen, eine leicht üble Bank oder eine üble Bank auf leichte Art.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN)
Man muss schon einmal diskutieren, was Sie da vorhaben. Offenkundig beabsichtigen Sie, die gesamten Spekulationsverluste der deutschen Finanzindustrie den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern und dem Staatsvermögen überzuhelfen.
(Beifall bei der LINKEN)
Nach dem, was ich heute im Handelsblatt lese das ist dann die üble Bank leicht gemacht, haben Sie vor, das so zu machen, dass ich zitiere alles übernommen wird, bei Fälligkeit dieser Papiere der Staat für die Spekulationsverluste einsteht, während Sie sich vorbehalten, dass der Staat im Laufe von 50 Jahren einen Teil einen Teil! der Gewinne dieser Banken zurückerhält.
Ich hätte es mir nie träumen lassen, dass die Bürgerlichen die bürgerliche Moral vollständig untergraben.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos)
Aber ich teile selbstverständlich den schwäbischen Handwerksmeistern mit, was die soziale Marktwirtschaft ist. Die haben das jetzt zum ersten Mal verstanden. Soziale Marktwirtschaft nach Ihrem Credo sieht offensichtlich so aus: Wenn ein Handwerksmeister in Konkurs geht und mit seinem Privatvermögen haften muss, dann sagen Sie ihm „Pech gehabt!“ und wünschen eine gute Reise.
Wenn aber ein Großspekulant in der deutschen Finanzindustrie über die Wupper geht, dann werden die Verluste aus dem Staatsvermögen finanziert und an die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler weitergegeben. Das ist nicht nur Verschleuderung von Staatsvermögen, sondern es untergräbt auch die Moral, die Sie selber immer den Menschen gepredigt haben.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))
Dem deutschen Mittelstand machen Sie nicht so ein hochherziges Angebot.
Wozu Sie fähig sind, haben wir aus dem Beispiel der Commerzbank gelernt. Sie haben ein Institut, das noch ganze 3 Milliarden Euro wert ist, für sage und schreibe 18 Milliarden Euro vermutlich vorübergehend herausgekauft. Dabei haben Sie ganze 25 Prozent dieser 3 Milliarden Euro in Aktien bekommen. Das ist ein Wahnsinnsunternehmen.
(Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Woher wissen Sie das?)
Warum haben Sie das gemacht? Die Commerzbank beteuert Tag und Nacht, sie sei nicht insolvent gewesen. Sie haben eine vorübergehende Stabilisierung der Kurse der Allianz bewirkt. Dieses Unternehmen hatte wahrscheinlich das größte Interesse daran. 18 Milliarden Euro für die Stabilisierung der Kurse der Allianz! Das muss man sich einmal vorstellen.
(Beifall bei der LINKEN)
Dieselben Leute sind knallhart, wenn es darum geht, die Armen in Deutschland arm zu lassen. Wenn es darum geht, die Besitzstände der Megareichen zu verteidigen, sind Sie mindestens so knallhart wie bei der Bestrafung der kleinen Leute, wie es vorhin jemand so schön gesagt hat. Es hat uns richtig gerührt, dass Sie plötzlich die kleinen Leute entdeckt haben.
Sie schaffen ein großes makroökonomisches Problem, das sich wie folgt darstellt: Sie sind dabei, zugunsten der Finanzindustrie das Staatsvermögen zu veruntreuen wie es Oskar Lafontaine formuliert hat , zu einem Zeitpunkt, zu dem es darauf ankommen wird, die deutsche Realwirtschaft vor dem Zusammenbruch zu bewahren und zu retten.
(Beifall bei der LINKEN)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen.
Ulrich Maurer (DIE LINKE):
Ich komme zum Ende. - Während der amerikanische Präsident 825 Milliarden Dollar einsetzt, um seine Realwirtschaft zu retten, sind Sie stolz auf unsere 25 Milliarden Euro und verschleudern nebenbei das Staatsvermögen an die Finanzindustrie. Das ist ein unannehmbarer Kurs.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))
Die Bürgerlichen untergraben die bürgerliche Moral
Rede
von
Ulrich Maurer,