Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! An einem langen Wochenende in einem Zug der Deutschen Bahn: erhebliche Verspätung wegen technischer Probleme, Umleitung, der Zug überhitzt, Wagen fehlen, mehrere Toiletten sind defekt, Anschlusszüge unerreichbar. Ich stehe im Gang und mit mir eine Mutter mit zwei kleinen Kindern und viel Gepäck. Sie hat eine Sitzplatzreservierung, aber der Zugteil fehlt. Also steht sie stundenlang im Zug – ein Kind im Tragetuch, das andere im Kinderwagen. So ein langes Wochenende kommt nicht überraschend, und trotzdem setzt die Bahn regelmäßig viel zu kurze Züge ein, die dann „außergewöhnlich hohe Auslastung“ verzeichnen. Fahrzeuge, Strecken und Personal – alles ist auf Kante genäht.
(Zuruf der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP])
Verspätungen sind beinahe die Regel. Der Fahrgastverband Pro Bahn warnt, dass es im Sommer noch schlimmer werden könnte. Drei Stunden stehend im Gang sind für niemanden ein Vergnügen; für eine alleinreisende Mutter mit zwei Kleinkindern ist es eine Tortur.
Umgekehrte Wagenreihung und Gleiswechsel nehmen viele mittlerweile achselzuckend hin. Aber für Reisende mit Kinderwagen, mit viel Gepäck und mit Mobilitätseinschränkungen ist das ein Problem. Wenn die behindertengerechte Toilette mal wieder defekt ist, dann wirft das die Reisepläne von Menschen im Rollstuhl komplett über den Haufen. Und dann sind die Tickets auch noch viel zu teuer; daran ändert auch das 49-Euro-Ticket wenig.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren, für die Verkehrswende brauchen wir eine Neuausrichtung der Bahn. Die Bahnreform 1994, die Umwandlung der Deutschen Bundesbahn in die Deutsche Bahn AG, ist krachend gescheitert: über 3 600 Kilometer Strecke stillgelegt, mehr als 300 Bahnhöfe weniger, übrigens 80 Prozent in Ostdeutschland, Hunderttausende Arbeitsplätze abgebaut.
(Detlef Müller [Chemnitz] [SPD]: Nicht eine Kündigung! Nicht eine Entlassung! Nur mal so!)
Die Devise war „Sparen, kürzen, auf Rendite trimmen“, und das hat Folgen. In der Schweiz werden 413 Euro pro Kopf und Jahr in die Schiene investiert, in Deutschland nur 124 Euro.
(Detlef Müller [Chemnitz] [SPD]: Überhaupt nicht vergleichbar!)
Dabei müsste doch die Bahn das Rückgrat der Verkehrswende sein:
(Beifall bei der LINKEN)
konsequent am Gemeinwohl orientiert, mit bezahlbaren Preisen, mit Bahnhöfen, die nicht das heruntergekommenste Gebäude der Stadt sind. Der Schienengüterverkehr muss massiv gestärkt und Bahnstrecken müssen reaktiviert werden.
(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unser Programm! Das ist unser Programm!)
Leider ist Verkehrsminister Wissing von der FDP die personifizierte Blockade der Verkehrswende und ein Totalausfall.
(Beifall bei der LINKEN)
Und die Latte lag wirklich nicht hoch nach zwölf Jahren CSU im Bundesverkehrsministerium. Deswegen ist es auch ziemlich dreist, dass Sie als Union sich heute als die Retterin der Bahn aufspielen wollen.
(Beifall der Abg. Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Die Ampel legitimiert jetzt das Versagen von Wissing noch gesetzlich. Er bekommt mit der Aufweichung der Sektorenziele einen Freibrief zum Verfehlen der Klimaziele. Ja, meine Damen und Herren, wenn ein Verkehrsminister die Klimaziele nicht erreicht, dann muss man doch den Verkehrsminister infrage stellen und nicht die Klimaziele.
(Beifall bei der LINKEN)
Die ganze Debatte um die Zerschlagung der Deutschen Bahn, um die Trennung von Netz und Betrieb und um neue Sparten ist doch eine Ablenkungsdebatte. Sie soll davon ablenken, dass es nicht ausreichend Investitionen in die Bahninfrastruktur gibt. Das löst doch überhaupt kein Problem.
(Beifall bei der LINKEN – Christian Schreider [SPD]: Wann kommen Ihre Vorschläge?)
Wir haben großen Respekt vor den Beschäftigten der Deutschen Bahn und den Beschäftigten in allen anderen Bahngesellschaften, die unter diesen schwierigen Bedingungen ihren Job machen und die zu Unrecht viel Unmut und Verärgerung abbekommen. Ihre Arbeitsbedingungen müssen verbessert werden. Deswegen unterstützen wir die Lohnforderungen der EVG in der aktuellen Tarifrunde.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Tarifverhandlungen sind gescheitert, weil sich das Staatsunternehmen Deutsche Bahn weigert, seine Beschäftigten vernünftig zu bezahlen, und eine Einigung blockiert. Unsere Solidarität gilt den Beschäftigten. Wenn sie streiken, dann ist das mehr als berechtigt.
(Beifall bei der LINKEN)
Ein Bahnchef, der sich das Gehalt verdoppelt, ein Vorstand, der seinen Führungskräften Erfolgsboni genehmigt und 14 Prozent höhere Vorstandsbezüge beschließt – die machen sich doch lächerlich, wenn sie die Forderungen nach 12 Prozent mehr Lohn als überzogen darstellen und den Beschäftigten Reallohnverluste zumuten wollen.
(Beifall bei der LINKEN)
Mit Leistungen lassen sich diese Boni ganz sicher nicht begründen.
Ich komme zum Schluss, letzter Satz.
(Christian Schreider [SPD]: Wann kommen die Vorschläge?)
Meine Damen und Herren, wir wollen Deutschland zum Bahnland machen, und dafür braucht es die Bahn der Zukunft: orientiert am Gemeinwohl, –
– Mobilität für alle im ganzen Land zu bezahlbaren Preisen, –
– im Interesse der Fahrgäste und des Klimaschutzes.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)