Zum Hauptinhalt springen

Das war kein Gipfel, das war ein Hügelchen

Rede von Petra Pau,

Bundestag, 16. 09. 2008, Haushaltsdebatte, Innenressort, Petra Pau

Petra Pau (DIE LINKE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wurde schon erwähnt, dass Bundesinnenminister Schäuble am 4. September Datenschützer und weitere Minister zu einem Datenschutzgipfel geladen hatte. Danach gab es eine Pressekonferenz und ein bemerkenswertes Bild. Bundesinnenminister Schäuble und der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Schaar lobten sich wechselseitig - ein seltenes Bild. Ich gönne es Ihnen, Herr Bundesinnenminister.
Dieses Bild täuscht aber über allzu viele Probleme hinweg. Es ist richtig, dass der Gipfel Wichtiges vereinbart hat, um die persönlichen Daten der Bürgerinnen und Bürger besser zu schützen. So dürfen ihre Daten ohne ausdrückliche Zustimmung künftig nicht mehr gehandelt werden. Dieser und weiteren Vereinbarungen wird die Linke im Bundestag natürlich zustimmen.
Zudem wird die Linke ein Sonderprogramm Datenschutz beantragen. Damit soll der Bereich des Bundesdatenschutzbeauftragten personell und technisch auf das erforderliche Niveau gebracht werden;

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])

denn man kann nicht verbal den Datenschutz stark reden und de facto den Datenschutzbeauftragten sowie seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schwach halten.
Zurück zum Gipfel. Dieser drehte sich ausnahmslos um die Privatwirtschaft. Ein ganz großer Datenstaubsauger aber ist der Staat selbst. Ich erinnere nur an die Vorratsdatenspeicherung aller Telekommunikationsdaten. Dagegen läuft eine Sammelklage beim Bundesverfassungsgericht. Ich wiederhole für die Linke: Die Vorratsdatenspeicherung muss weg.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])

Hinzu kommt, dass immer mehr sensible Daten von Staats wegen EU-weit gestreut oder in die USA verschickt werden, also ins Datenschutznirwana. Auch das spielte auf dem sogenannten Datenschutzgipfel keine Rolle. Bundesinnenminister Schäuble hatte schon vorher forsch behauptet, das Übel sei privat, der Staat sei sauber. Das sieht die Linke ganz anders.
Nehmen wir ein aktuelles Beispiel: die Bundesdruckerei. Bei der Bundesdruckerei häufen sich persönliche Daten aller Bürgerinnen und Bürger, auch biometrische. Es ist also ein höchst sensibler Betrieb. Trotzdem wurde die Bundesdruckerei im Jahr 2000 von der SPD und von den Grünen entgegen allen Mahnungen und Protesten privatisiert; auch ich war dagegen.
Nun lese ich, dass die Bundesdruckerei aus Sicherheitsgründen wieder verstaatlicht werden soll. Ich begrüße das ausdrücklich. Ich frage aber zugleich: Wie unsicher waren die Daten von 80 Millionen Bürgerinnen und Bürgern in den acht Jahren dazwischen? Auch dieses Beispiel zeigt: Der Staat ist mitnichten sauber. Er ist vielmehr ein Datenrisiko ersten Ranges.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos] - Sebastian Edathy [SPD]: Der Staat ist doch kein Datenrisiko, Frau Kollegin!)


Deshalb sage ich auch: Das schöne und seltene Bild vom Datenschutzgipfel war ein Trugbild. Es war kein Gipfel, sondern es war bestenfalls ein Hügelchen; denn das weitergehende Problem harrt noch immer einer Lösung. Wir brauchen endlich ein Datenschutzrecht, das dem 21. Jahrhundert gerecht wird. Davon sind wir noch meilenweit entfernt.
Der Kollege Wieland hat schon das Bild der Karteikartenzeit bemüht. Ich denke, nicht nur die Lösung dieses Problems muss angegangen werden. Auch die Probleme auf dem großen Feld des Arbeitnehmerdatenschutzes harren längst einer Lösung. Ich höre aber, dass man im zuständigen Ministerium in dieser Legislaturperiode überhaupt nicht mehr tätig werden will.

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Hört! Hört! - Gisela Piltz [FDP]: Das macht jetzt Herr Scholz!)

Eigentlich müsste es doch alle Fraktionen des Bundestages beschämen, dass das Bundesverfassungsgericht die Daten der Bürgerinnen und Bürger immer wieder gegen Regierungsgelüste schützen muss. Leider ist es aber so. Das ehrwürdige Bundesverfassungsgericht ist längst im Internetzeitalter angekommen, die Große Koalition aber immer noch nicht.

(Beifall bei der LINKEN)