Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine kurze Bilanz der Verkehrspolitik der Bundesregierung aus meiner Sicht, aus Sicht der Linken: keine Wende hin zum Positiven, keine Verringerung der Gesundheitsgefahren, keine Verringerung der Umweltbelastungen, keine Wende hin zu mehr Arbeitssicherheit, hin zu besseren Arbeitsbedingungen für die im Verkehrswesen Beschäftigten und auch keine Fortschritte bei der Versorgung des Landes mit einer digitalen Infrastruktur, die über die Wahlperiode hinaus Bestand haben kann. Der Verkehrsminister ist an seinen eigenen Ansprüchen gescheitert, an den Ansprüchen einer vernünftigen Verkehrspolitik sowieso.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Diese Aussage ist nach wie vor richtig, obwohl es sich schon um einen Stehsatz aus den Reden handelt, die ich hier zu den letzten sieben Verkehrshaushalten gehalten habe.
Doch jedes Jahr kommen neue Fehlentscheidungen hinzu. In diesem Jahr betreffen sie insbesondere die soziale Lage der Menschen. Damit meine ich die Sicherheit der Arbeitsplätze und die Qualität der Arbeitsplätze. Jüngstes Beispiel: In einer Nacht-und-Nebel-Aktion drückt die Mehrheit von CDU/CSU und SPD im Haushaltsausschuss durch, dass die Fluggesellschaften künftig die anfallenden Flugsicherungsgebühren nicht mehr zahlen müssen. Eine Summe von 200 Millionen Euro ist dabei im Gespräch. Nicht falsch verstehen: Die Gebühren fallen nach wie vor an; aber sie werden nicht mehr von den Fluggesellschaften bezahlt, sondern von der Allgemeinheit, also von uns allen.
(Kirsten Lühmann [SPD]: Selbstverständlich zahlen die noch weiter Gebühren! – Gegenruf des Abg. Roland Claus [DIE LINKE]: Weniger!)
Wir wissen und können auch wissen, dass diese Art von Steuergeschenken nicht dazu beiträgt, das Problem zu lösen, das gelöst werden soll, nämlich die Wettbewerbsfähigkeit insofern zu erhalten, dass hier Arbeitsplätze geschaffen werden und gute Arbeitsplätze erhalten bleiben.
(Kirsten Lühmann [SPD]: Dazu gehört der Luftverkehr! Und das wissen Sie genau, Herr Kollege!)
Wir wissen und können auch wissen, dass die Subventionen in das Portemonnaie der Anteilseigner fließen, wie wir das auch bei anderen Subventionen sehen. Sie werden nicht bei den Beschäftigten, die in einer Maschine oder auf dem Flughafen arbeiten, landen. Die Lufthansa muss sich sogar noch ermuntert fühlen, damit weiterzumachen, ihre Belegschaft nach und nach in einer eigenen Billigfluggesellschaft auszulagern, bei Eurowings mit Sitz in Österreich. Steuergeschenke und Sozialdumping darf es nicht geben. Das ist eine zentrale Forderung der Linken.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Nun wird vielleicht der eine oder andere mahnen und sagen: Vielleicht klappt es mit dieser Maßnahme ja doch, qualifizierte Arbeitsplätze mit Sitz in Deutschland zu schaffen. – Aber wir müssen doch aus den Erfahrungen, die wir mit Subventionen gesammelt haben, lernen. Vielen von uns ist das Maritime Bündnis bekannt. Im Rahmen dieses Bündnisses versuchten Bund, Reeder, die Beschäftigten und ihre Verbände seit 2004, die Zahl der Schiffe, die unter deutscher Flagge fahren und unter die hiesigen Tarifbedingungen fallen, zu erhöhen, sie sozusagen wieder einzusourcen. Die Reeder wurden nur noch pauschal besteuert, sie durften die Ausbildungszuschüsse einheimsen, sie durften zunächst einen Teil der Lohnsteuer für sich behalten – inzwischen sogar die gesamte Lohnsteuer –; im Gegenzug sollten mindestens 500 Schiffe unter deutscher Flagge fahren. Zwölf Jahre und 6 Milliarden Euro Subventionen später fahren 140 Schiffe unter deutscher Flagge. Der Ausstieg der Seefahrergewerkschaft Verdi ist nachvollziehbar, begründet und selbstverständlich. Verdi hat das Bündnis verlassen. Das war eine richtige und längst überfällige Maßnahme.
(Beifall bei der LINKEN)
Auch das Maritime Bündnis hat gezeigt: Subventionen sichern und schaffen keinen Arbeitsplatz, wenn sie nicht an klare, verlässliche, abrechenbare Bedingungen geknüpft sind.
(Beifall bei der LINKEN)
Mit Geschenken lassen sich zwar Freundschaften erhalten, nicht aber die soziale Sicherheit der arbeitenden Menschen.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Trotz dieser Binsenweisheit werden neue Steuerpakete geschnürt, jetzt in Form einer Bundesstraßengesellschaft, wie wir gehört haben. Es ist ja schön und gut, wenn jetzt getitelt wird, Finanzjongleure und Versicherungen sollten keinen Zugriff auf die Gesellschaft bekommen. Aber wir wissen, was nach Gründung der Gesellschaft passieren kann. Es soll eine privatrechtliche Grundlage geben. Dann wäre es so wie bei der Deutschen Bahn. Das wäre eine Deutsche Bahn für die Bundesstraßen und die Autobahnen.
(Kirsten Lühmann [SPD]: Die Deutsche Bahn ist eine Aktiengesellschaft! Und eine Aktiengesellschaft wird es nicht geben!)
Und dann? Nein, diese Gesellschaft soll Finanzjongleuren und Versicherungen den Zugriff auf die Straßeninfrastruktur ermöglichen. Dann würde die Infrastruktur nicht mehr durch parlamentarische Beschlüsse gestaltet – wie bei der Bahn. Der Bund wäre nur noch für die Finanzierung zuständig – wie bei der Bahn.
(Bettina Hagedorn [SPD]: Die Bahn ist eine Aktiengesellschaft! Das wollen wir hier nicht!)
Darum soll das Grundgesetz geändert werden. Mit der Frage, wie die Gesellschaft ausgestattet wird, will man sich später beschäftigen. Zunächst das Grundgesetz zu ändern – mit Ihrer Beteiligung –, das finde ich nicht nachvollziehbar. Diesen Schritt sollten Sie dringendst überdenken.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Kirsten Lühmann [SPD]: Ihr Ministerpräsident hat zugestimmt! Erzählt den Leuten die Wahrheit!)
Zur Bilanz gehört auch der größte Skandal in der Automobilindustrie, den wir kennen. VW musste zugeben, bei den Angaben zu den stark gesundheitsschädlichen Stickstoffoxiden betrogen zu haben. Der Verkehrsminister war nicht in der Lage, das auf unsere Kleinen Anfragen hin aufzuklären.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bis heute nicht!)
Das Parlament hat deshalb beschlossen, einen Untersuchungsausschuss einzurichten. Dieser hat nach den ersten Einblicken in die Struktur und Arbeitsweise des Ministeriums und der nachgelagerten Behörden einiges aufgedeckt, was wir so nicht glauben konnten. Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen – das scheint das Credo der Behörden zu sein. Das trägt dazu bei, dass es nicht bei diesem Skandal bleibt, sondern künftig weitere schwere Skandale geben wird.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Kirsten Lühmann [SPD]: Wir scheinen auf verschiedenen Veranstaltungen gewesen zu sein! Ich habe das nicht gehört!)
Ich komme zum Schluss. Es ist unsere Aufgabe, dass wir trotz der jubelnden Selbstbeweihräucherung vonseiten der Koalitionsvertreter eine klare Übersicht darüber behalten, was wirklich passiert. Zusammengefasst sind wir der Meinung: Die Verkehrspolitik in Deutschland wird vor die Wand gefahren. Die einzige Neuerung ist, dass dies zukünftig elektrisch und autonom geschehen soll.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)