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Das Sanktionenrecht ist keine Reform, sondern eine große Enttäuschung

von Clara Bünger,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie hatten doch eigentlich versprochen, in diesem Jahr das Sanktionsrecht anzupacken und auch den Sinn und Zweck der Ersatzfreiheitsstrafe zu prüfen. Die Hälfte des Jahres ist fast rum, und es ist eigentlich nichts passiert. Dass Sie bei der Ersatzfreiheitsstrafe jetzt nur halbe Sachen machen wollen und das als Erfolg verkaufen, ist wirklich lächerlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Weniger Hafttage ändern am Grundproblem gar nichts. Wegen einer Bagatelle wie dem Fahren ohne Fahrschein werden Menschen auch künftig in Haft kommen, und das nur, weil die allermeisten von ihnen arm, arbeitslos, wohnungslos oder krank sind.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Ach Gott!)

Die Ersatzfreiheitsstrafe verschlimmert nicht nur die Situation der Betroffenen, sondern sie frisst auch unnötige Ressourcen des Staates und hat nicht einmal eine resozialisierende Wirkung;

(Beifall bei der LINKEN)

und das räumen Sie in Ihrem Entwurf doch sogar selbst ein. Menschen geraten in noch tiefere Krisen, verlieren ihre Wohnung, ihren Arbeitsplatz und werden stigmatisiert.

Ein weiteres schwerwiegendes Problem bleibt der Maßregelvollzug. Durch die engeren Voraussetzungen für die Unterbringung nach § 64 StGB ist zu befürchten, dass es zu einer Verschiebung von Gefangenen mit Drogenabhängigkeit aus den Entziehungsanstalten in die Justizvollzugsanstalten kommen wird. Dringend erforderlich sind aber vielmehr eine bessere Ausstattung von Entziehungsanstalten und Personal, eine hinreichende Finanzierung sowie die Entkriminalisierung von Drogendelikten.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber noch mal zurück zur Ersatzfreiheitsstrafe. Ich verstehe nicht, warum Sie an Ihrem Entwurf festhalten, obwohl auch die Sachverständigen in der Anhörung zum Sanktionsrecht eindrücklich dargestellt haben, dass die Ursachen der Ersatzfreiheitsstrafe eben nicht beseitigt werden, sondern bestehen bleiben. Aus dem Grund haben sich die Sachverständigen für die Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe ausgesprochen – genau so, wie es auch in unserem Antrag steht.

Noch eins: Unser Gesetzentwurf zur Abschaffung des Straftatbestandes „Fahren ohne Fahrschein“ hat auch Zuspruch vom SPD-Sachverständigen Herrn Professor Dr. Hefendehl erhalten, der ganz klar sagt:

"Strafe setzt ... als notwendige Bedingung sozialschädliches Verhalten voraus. Wenn Strafe allerdings umgekehrt Sozialschädlichkeit bewirkt, hat sie sich selbst diskreditiert."

(Beifall bei der LINKEN)

Und genau das ist beim Fahren ohne Fahrschein der Fall: Menschen, die sich aus wirtschaftlicher Not kein Ticket leisten können, aber auf Mobilität angewiesen sind, zusätzlich zu bestrafen, ist völlig absurd und auch unverhältnismäßig.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir fordern deshalb ganz klar die Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe.

Streichen Sie zumindest als ersten Schritt das Fahren ohne Fahrschein aus dem StGB, und zwar, ohne es zur Ordnungswidrigkeit herabzustufen!

Vielen Dank.