Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Wirtschaftsstandort stärken – Bürokratie abbauen“ ist heute das Thema. Man wundert sich ein bisschen über die Töne, die hier heute angeschlagen werden. Eines vorweg: Auch wir teilen das Ziel, überflüssige Bürokratie abzubauen.
(Beifall bei der LINKEN)
Gerade kleine und mittlere Unternehmen haben nämlich nicht ganze Abteilungen, die monatelang mit den Behörden kommunizieren können. Aber ein Kernproblem der Verwaltung wird hier gar nicht angesprochen. Deswegen zitiere ich mit der freundlichen Erlaubnis der Präsidentin Frank-Walter Steinmeier; auf dem Arbeitgebertag 2013 hat er gesagt:
"… wenn Sie sich in gerechter Weise zurückerinnern, dann hat es aber die entscheidenden Steuersenkungen, und zwar in einem Volumen von mehr als 60 Milliarden Euro, unter einer sozialdemokratischen Regierung gegeben: …"
Ich kann Ihnen sagen: Wir erinnern uns in gerechter Weise zurück. Sie haben dem Großkapital Steuern in Milliardenhöhe geschenkt.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: So ist es!)
Das war ja nicht nur die SPD; das betrifft auch die Grünen, die FDP
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Genau!)
und die Union, die in wechselnder Regierungsverantwortung darauf verzichtet haben, das Geld von den Großen zu holen. Aktuell macht die Ampel genau dort weiter. Sie will das Geld der Superreichen auch nicht haben. Tolle Fortschrittskoalition ist das.
(Beifall bei der LINKEN – Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Sie meinen jetzt Herrn Olearius und Warburg! – Sebastian Roloff [SPD]: Kommen Sie zum Thema zurück!)
Und weil Sie keine Schulden machen wollen und weil Sie das Geld der Superreichen im Land gar nicht haben wollen, muss gespart werden. Damit kommen wir zum Problem zurück: Statt Bürokratie abzubauen, wurden Bürokraten abgebaut. Wenn man aber die Bürokraten abbaut, wer erledigt dann die Bürokratie und am besten noch schneller als vorher? Das ist doch des Pudels Kern. Wir reden über einen Personalmangel, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN)
Diesen Personalmangel spüren die Menschen und, ja, auch die Unternehmen regelmäßig im Umgang mit Behörden. Aktuell fehlen 360 000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Bis zum Jahr 2030 werden es 1 Million Beschäftigte sein. Wir hören hier ständig etwas von der Digitalisierung der Verwaltung. Es heuern im Jahr 800 IT-Experten im öffentlichen Dienst an – nur 800! Ja, wer soll denn dann die Verwaltung digitalisieren, wenn die, die es können, gar nicht erst kommen, meine Damen und Herren?
(Beifall bei der LINKEN)
Besonders trifft diese Entwicklung die Kommunen. Die von der ganz Großen Koalition hier geleerten öffentlichen Kassen wurden nämlich nach unten durchgereicht, an das Ende der fiskalpolitischen Nahrungskette: an die Städte und Gemeinden. Dazu mal ein Beispiel aus meinem Wahlkreis in Duisburg. Da waren die Leute auch gezwungen, jahrelang an Personal zu sparen. Heute sind 10 Prozent der Stellen unbesetzt. Hoher Arbeitsdruck und Personalmangel führen zu Belastungen und die wiederum zu einem Krankenstand von noch mal 10 Prozent. Ein ganz konkretes Beispiel: Mein geschätzter Genosse und Kollege Erkan Kocalar, der Vorsitzende der Ratsfraktion dort, hat versucht, für einen Bürger beim Ausländeramt einen Termin zu bekommen. Das hat er getan im Dezember 2022. Der Termin kommt im Januar 2025. Zwei Jahre Wartezeit, meine Damen und Herren! Hier hat der Sparkurs nicht dazu geführt, dass irgendwas schneller wurde, sondern zu extrem langen Wartezeiten.
Ich zitiere in diesem Zusammenhang den Chef des Deutschen Beamtenbundes, Ulrich Silberbach:
"Uns droht ein Staatsversagen. Denn der Öffentliche Dienst kann die Vorgaben der Politik angesichts des Personalmangels und der unzureichenden Digitalisierung nicht erfüllen."
Ein Staatsversagen, meine Damen und Herren! Weil man sich nicht getraut hat, nach dem Vermögen der Reichen, der Besitzer von Banken und Konzernen zu fragen. Deswegen: Trauen Sie sich bitte, sich mit den Banken und Konzernen anzulegen! Dann haben Sie auch Geld für eine gute Verwaltung. Und wenn Sie sich das nicht trauen, SPD und Grüne, dann legen Sie sich bitte wenigstens mit der FDP an und reden Sie mit der über die Schuldenbremse. Die ist nämlich ökonomisch Unsinn.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN)