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Assistenz im Krankenhaus

Rede von Ilja Seifert,

Sehr geehrte Damen und Herren,

dass wir diesen Gesetzentwurf heute beraten, ist der Verdienst von Elke Bartz. Elke Bartz war seit dem 21. Lebensjahr in Folge eines Autounfalls schwerstbehindert und wurde - wie üblich -anschließend in ein Heim verbannt. Nach jahrelangem Kampf gelang es ihr und ihrem Mann Gerhard Bartz, ihr Leben selbstbestimmt in einem eigenen Haus zu gestalten. Die notwendige Assistenz erkämpften sie sich über viele Instanzen und sind somit Mitinitiatoren des sogenannten Arbeitgebermodells, das heißt, Menschen mit Pflege- und Assistenzbedarf erhalten ein „persönliches Budget“ und beschäftigen damit die von und bei ihnen angestellten Assistenten selbst. Elke Bartz, die Vorsitzende des Forums selbstbestimmter Assistenz behinderter Menschen (ForseA e.V.), verstarb im August vorigen Jahres, kann also diesen Erfolg leider nicht mehr mit ihren Mitstreiterinnen und Mitstreitern aus der emanzipatorischen Behindertenbewegung mitfeiern.

Im SGB XII steht im § 63: „In einer stationären oder teilstationären Einrichtung erhalten Pflegebedürftige keine Leistungen zur häuslichen Pflege.“ Dies bedeutet, dass Menschen mit Behinderungen bei einem vorübergehenden Aufenthalt im Krankenhaus ihre Assistenzkräfte nicht mitnehmen können und für diese vertraglich gebundenen Beschäftigten in dieser Zeit auch kein Geld erhalten. Da das Krankenhauspersonal lediglich darauf eingestellt ist, die - abgesehen von der zu behandelnden Krankheit - ansonsten „normalen“ Patienten zu betreuen, fehlt diesen sowohl die Zeit als auch die fachliche Kompetenz, die behinderungsbedingt anfallenden zusätzlichen Pflege- und Assistenzleistungen zu erbringen. Die Folge: Menschen mit Behinderungen sind unterversorgt, teilweise mit tödlichen Folgen. Auf diese katastrophale Situation machte ForseA 2006/2007 in einer Kampagne „Ich muss ins Krankenhaus…und nun?“ aufmerksam und übergab die 70-seitige Dokumentation der Kampagne am 27. September 2007 auf einer Konferenz der Behindertenbeauftragten der Bundesregierung, Karin Evers-Meyer (SPD). Sie versprach schnelle Abhilfe.

Neben ForseA wiesen auch andere Institutionen auf die katastrophale Versorgung bzw. Assistenzsicherung für Schwerbehinderte während ihres Krankenhausaufenthaltes hin - z.B. die Landesärztekammer Hessen in einer Vorlage an den Gesundheitsausschuss des Bundestages vom 10. Juni 2008. Trotzdem wurde die Bundesregierung nicht aktiv - dies wurde in den Antworten von Staatssekretär Rolf Schwanitz (SPD) auf meine Fragen in der Fragestunde im Bundestag am 18. Juni 2008 deutlich.

Im Mai 2009 kam dann endlich der Gesetzentwurf der Koalition. Die Behindertenbeauftragte Evers-Meyer verkündete in einer Pressemitteilung: „Mit den vorgesehenen Änderungen wird sichergestellt, dass pflegebedürftige behinderte Menschen auch während eines Krankenhausaufenthaltes die für sie notwendigen über das normale Maß hinausgehenden Assistenzleistungen erhalten - erbracht durch ihre vertrauten Assistenzkräfte.“

Etwas anders klang es in der „Anhörung“ und den schriftlichen Stellungnahmen von Sachverständigen am 27. Mai 2009 im Gesundheitsausschuss. ForseA, der Allgemeine Behindertenverband in Deutschland „Für Selbstbestimmung und Würde“ e.V. (ABiD), der Bundesverband evangelische Behindertenhilfe, ambulante dienste e.V., die Diakonie, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der PARITÄTISCHE verwiesen auf zwei entscheidende Mängel: Erstens greift dieses Gesetz nur für Menschen mit Behinderungen, die ihre Assistenten über das sogenannte Arbeitgebermodell beschäftigen. Dies ist nur eine sehr kleine Gruppe, da viele Betroffene ihre Assistenzleistungen auch über andere Modelle erhalten. Zweitens greift diese Lösung nur bei vorübergehendem Krankenhausaufenthalt, aber nicht bei Heilkuren und anderen stationären Aufenthalten in Vorsorgeeinrichtungen (z.B. einem Müttergenesungsheim) und auch nicht in Rehabilitationseinrichtungen.

Trotzdem war die Koalition nicht bereit, entsprechende Korrekturen vorzunehmen. Diesbezügliche Änderungsanträge der LINKEN im Gesundheitsausschuss wurden von CDU/CSU und SPD abgelehnt. Die Begründung für die Ablehnung durch die CDU/CSU kann der vorliegenden Beschlussempfehlung entnommen werden: „Zwar seien auch andere pflegebedürftige Menschen von der Problematik betroffen, doch könne der Geltungsbereich mit Rücksicht auf die entstehenden hohen Kosten aus jetziger Sicht nicht erweitert werden.“

DIE LINKE wird dem vorliegenden Gesetzentwurf trotzdem zustimmen, weil wenigstens für eine kleine Gruppe von Menschen mit Behinderungen das Problem der Assistenz im Krankenhaus gelöst wird und weil mit diesem Gesetz (im sogenannten Omnibusverfahren) weitere vernünftige und überfällige Regelungen in anderen Bereichen getroffen werden, z.B. die Möglichkeit der kostenlosen Mitnahme von einem Behindertenbegleithund und (statt bisher „oder“) einer Begleitperson für berechtigte Personen und die Hilfe für die Betreuung von Kindern mit Behinderungen in einer Pflegefamilie.

Der Behindertenbeauftragten Evers-Meyer, welche in einer weiteren Pressemitteilung am 17. Juni verkündete: „Die bange Frage>Ich muss ins Krankenhaus … Was nun?