Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Jahressteuergesetz werden viele Details neu geregelt, von der Homeoffice-Pauschale über Abschreibungsregelungen und Freibeträge, und das ist in Teilen auch sinnvoll. Was aber bleibt, das sind die extremen Ungerechtigkeiten im Steuersystem, und die möchte ich an dieser Stelle genauer beleuchten.
Wenn man sich das Steueraufkommen anschaut, dann stellt man fest, dass ein großer Anteil aus Löhnen und Gehältern, also aus Erwerbsarbeit, stammt, während leistungsloses Einkommen und Vermögen in diesem Land kaum besteuert wird. Wer nämlich, statt zu arbeiten, von den Dividenden seiner geerbten Aktien lebt, der zahlt nach der sogenannten Abgeltungsteuer pauschal nur 25 Prozent Steuern, egal ob er drei Belegschaftsaktien oder die Unternehmensmehrheit im Milliardenwert besitzt – und das, meine Damen und Herren, ist zutiefst ungerecht.
(Beifall bei der LINKEN)
Die meisten wirklich reichen Menschen in Deutschland, die über Millionen- oder gar Milliardenvermögen verfügen, sind nämlich nicht durch Erwerbsarbeit reich geworden, sondern durch Kapitalerträge, und die müssen endlich angemessen besteuert werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Der Anteil vermögensbezogener Steuern in Deutschland ist verschwindend gering; er liegt bei nicht mal 3 Prozent des Steueraufkommens. Während die unteren 40 Prozent der Bevölkerung gar keine Ersparnisse haben oder sogar Schulden, verfügen die oberen 10 Prozent über zwei Drittel des gesamten Vermögens. Höchste Zeit für die Wiedererhebung der Vermögensteuer!
Auch bei den Erbschaften gibt es ungerechte Steuerlöcher, die geschlossen werden müssen, zum Beispiel durch so ein Gesetz. Es kommt immer wieder vor, dass jemand ein Unternehmen im Wert von 500 Millionen Euro erbt, aber dann keinen Cent Erbschaftsteuer bezahlt. Die Steuergesetze werden ja nicht nur kreativ genutzt und fantasievoll gedehnt, sondern handfester Steuerbetrug wird systematisch organisiert. Wir haben diese Woche schon darüber geredet: Allein im Cum-ex-Skandal wurde die Gesellschaft um mindestens 32 Milliarden Euro betrogen – 32 Milliarden Euro, die Schulen und Krankenhäuser gut hätten gebrauchen können.
(Beifall bei der LINKEN)
Der tatsächlich festgestellte Steuerbetrug lag im Jahr 2020 bei 1,25 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der vieldiskutierte Sozialleistungsbetrug lag bei 57 Millionen Euro. Der Schaden durch Steuerbetrug ist also 22‑mal höher.
Während Menschen, die Grundsicherung beziehen, Probleme mit dem Jobcenter bekommen, weil sie Geschenke von Verwandten erhalten, bereichern sich andere weitgehend ungestört. Das hat auch damit zu tun, dass die Steuerfahndungen in Deutschland so schlecht ausgestattet sind, dass regelmäßige Betriebsprüfungen überhaupt nicht möglich sind. Es ist also nicht das Sozialsystem, das missbraucht wird, es ist das Steuersystem mit seinen Schlupflöchern und unentdeckten Steuerhinterziehern, und daran ändert dieses Gesetz leider überhaupt nichts.
Nicht nur Reichtum vererbt sich, auch Armut. Wer arm ist, kann sich so viel anstrengen, wie er will – der vielgepriesene Aufstieg durch Bildung und Arbeit funktioniert nicht. Deshalb: Wer Armut bekämpfen will, der muss Reichtum umverteilen durch eine höhere Besteuerung großer Vermögen und hoher Einkommen.
(Beifall bei der LINKEN)
Das fordern wir als Linke, und das fordert auch die Initiative #IchBinArmutsbetroffen, die morgen vor dem Kanzleramt demonstriert. Denn für Armut, meine Damen und Herren, müssen sich nicht die Betroffenen schämen – für Armut muss sich eine Politik schämen, die es zulässt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)