Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war zu erwarten, dass die AfD versuchen wird, aus den Ausschreitungen in Frankreich politisches Kapital zu schlagen.
(Dirk Brandes [AfD]: Wir wollen kein Kapital rausschlagen! Wir wollen Ruhe!)
Ihr Geschäftsmodell beruht auf Hass und Hetze gegen Geflüchtete und Migrantinnen und Migranten. Dass so eine Partei aktuell in Umfragen Rekordergebnisse einfährt, ist für unsere Demokratie beunruhigend und sollte allen Demokraten zu denken geben; denn die größte Gefahr für unsere Gesellschaft geht nach wie vor von der Parallelgesellschaft der rechten und rechtsextremen Netzwerke und ihrem politischen Arm, der AfD, aus.
(Beifall bei der LINKEN – Dirk Brandes [AfD]: Nein! Geht sie nicht!)
Meine Damen und Herren, am Morgen des 27. Juni 2023 wurde der 17-jährige Nahel Merzouk in einem Vorort von Paris während einer Verkehrskontrolle von einem Polizisten erschossen. Von dem Vorfall existiert eine Videoaufzeichnung. Sie zeigt, wie ein Polizist mit einer Maschinenpistole aus nächster Nähe direkt auf den Jugendlichen schießt, obwohl dieser von ihm wegfährt. Die Tat ist schockierend und empörend. Sie hat in ganz Frankreich eine Welle von Protesten ausgelöst, die in manchen Orten in gewaltsamen Exzessen endeten. Geschäfte wurden geplündert, Autos angezündet, die Wohnung eines Bürgermeisters angegriffen. Für diese Gewalt gibt es keine Rechtfertigung.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Marcel Emmerich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Aber es ist wichtig, zu analysieren, warum ein Polizeieinsatz derartige Ausschreitungen auslösen konnte. Was wir nicht brauchen, ist die rassistische Agenda der AfD.
(Dirk Brandes [AfD]: Welche rassistische Agenda?)
Egal was in dieser Welt passiert, für die AfD ist die Migration der Grund aller Probleme. Wir können diesen Unsinn von der AfD nicht mehr hören!
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das entscheiden die Wähler!)
Es sind aber leider nicht nur die Rechtsextremen, die die Krise in Frankreich instrumentalisieren. Auch im konservativen Lager wird wieder Stimmung gegen Geflüchtete und Migrantinnen und Migranten gemacht. Der FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai und auch Alexander Dobrindt von der CSU fordern eine Begrenzung der Zuwanderung.
(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)
Das ist nicht nur eine falsche Schlussfolgerung aus den Ereignissen in Frankreich, sondern auch eine äußerst gefährliche Strategie, sich im Windschatten der AfD zu profilieren. Die Ursachen der Probleme in Frankreich liegen in der ungerechten Chancenverteilung, in fehlenden Teilhabemöglichkeiten und politischer Ignoranz. Soziale Brennpunkte sind das Ergebnis jahrzehntelanger restriktiver Migrationspolitik und verfehlter Wohnungspolitik. Sie haben ihren Ursprung in sozialen Ungleichheiten und in der kolonialen Vergangenheit Frankreichs, die nie richtig aufgearbeitet wurde.
Diese Jugendlichen, die jetzt auf die Straße gehen, erleben tagtäglich gesellschaftliche Ausgrenzung und oftmals eine rassistische Polizeipraxis. In den Stadtteilen, in denen sie leben, sind Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit, Armut und Elend doppelt so stark ausgeprägt wie in anderen Teilen des Landes. Die Proteste sind daher ein Ausdruck migrantischer Klassenkämpfe gegen die Fehler der Politik und gegen Ungerechtigkeiten. Dass für die Familie des tatverdächtigen Polizisten viel mehr Spenden gesammelt wurden als für die Familie des Opfers, ist bezeichnend für das gesellschaftliche Klima in Frankreich.
Wenn wir daraus Lehren für Deutschland ziehen möchten, dann müssen wir dringend mehr Geld in Bildung investieren und die Bildungsungleichheiten überwinden.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir brauchen eine effektive Antidiskriminierungspolitik und bessere Partizipationsmöglichkeiten für migrantische Jugendliche. Außerdem müssen wirksame Maßnahmen gegen das Problem „Racial Profiling“ entwickelt und die sogenannte Politik der tausend Nadelstiche gegen Kioske und Shishabars, die angeblich mit Clankriminalität in Verbindung stehen, endlich beendet werden. Denn diese polizeiliche Praxis lässt sich zwar gut in den Medien vermarkten, sie stigmatisiert aber ganze Stadtteile und stellt Menschen unter Generalverdacht. In diesen Stadtteilen wird mit vernünftiger Polizeiarbeit und einer guten Sozialpolitik Vertrauen gewonnen und nicht mit inszenierten Auftritten in Shishabars, damit sich einige Politiker besser profilieren können.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Jürgen Coße [SPD] und Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])