Rede zum gleichnamigen Antrag der Linksfraktion (Drs. 18/7904: dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/079/1807904.pdf)
- Rede zu Protokoll -
Das Thema Nachtzüge ist wie üblich zu einer Zeit aufgesetzt, an dem in früheren Zeiten schon alle Nachtzüge im Land unterwegs waren – als es sie noch gab. Inzwischen ist das Netz auf ein paar wenige Züge zusammengeschrumpft, die die Deutsche Bahn AG lieber heute als morgen auch noch stilllegen würde. Spätestens im Dezember soll endgültig Schluss für die letzten Nacht- und Autozüge sein, so die Ankündigung der DB AG.
Die Debattenzeit illustriert leider die Bedeutung, die das Thema für den Bundestag hat; wir als Opposition müssen es immer wieder hier einbringen, damit überhaupt eine Debatte stattfindet. Dabei sind die Nachtzüge die einzige Option für ein klimafreundliches Reisen auf weiten Strecken, auf denen sonst in der Regel geflogen wird. Normalerweise sagt man, dass die längere Reisezeit mit dem Zug ein Nachteil der Bahn sei. Mit dem Nachtzug wird genau dies aber zur Stärke der Bahn: Denn nur mit ihm kann man bequem schlafend reisen und am nächsten Morgen pünktlich zum Frühstück in einer anderen Stadt ankommen.
Hunderttausende von Kundinnen und Kunden wissen dies weiterhin zu schätzen. Obwohl die DB AG in den letzten Jahren so gut wie nichts mehr in die Sparte investiert hat, sind die Züge noch immer gut gebucht. Trotzdem will die DB AG sie nicht mehr weiter betreiben, und mir ist immer noch nicht klar, warum eigentlich. Warum wirft man mit Gewalt Kundinnen und Kunden heraus, die doch offensichtlich Bahn fahren wollen, die nun aber gar kein brauchbares Angebot mehr vorfinden? Denn auf solchen Strecken am Tag zu reisen und mehrmals umsteigen zu müssen, das ist für den weit überwiegenden Teil der Fahrgäste keine Alternative, sondern sie setzen sich dann auch ins Flugzeug.
Bis zum Januar 2015 sagte die DB AG immer: Die Nachtzüge werden nicht mehr nachgefragt, die Kundschaft läuft davon. Bei der immer weiteren Verschlechterung des Angebots – man denke nur an die Streichung der Bordrestaurants, in denen man früher noch essen und ein Glas Wein trinken konnte, bevor man es sich im Schlafwagenabteil gemütlich gemacht hat – wäre das gar nicht einmal verwunderlich; es war aber schlichtweg falsch. In der Anhörung im Verkehrsausschuss am 14. Januar 2015 musste der damalige DB-Vorstand Homburg zugeben, dass die Züge nach wie vor gut gebucht sind. Im Klartext: Die DB AG hatte vorher gelogen, das muss man einmal ganz klar so benennen.
Seitdem bleibt die zweite Argumentationslinie der DB AG: Die Züge seien unwirtschaftlich. Gestern titelte die Stuttgarter Zeitung: „Österreichische Bahn rettet deutsche Nachtzüge“. Tatsächlich wird schon länger gemunkelt, dass die ÖBB einige Nachtzugstrecken übernehmen wolle. Da drängt sich aber doch die Frage auf: Was können die Österreicher, was die Deutschen nicht können? Wie kann es sein, dass in Österreich der Nachtzuganteil ausgebaut wird und inzwischen bei knapp 20 Prozent liegt – während der DB AG nicht anderes einfällt als der Ausstieg? Und das obwohl es in der Anhörung am 14. Januar 2015 sogar noch die Zusage gegeben hatte, dass ein neues, tragfähiges Konzept für diese Sparte entwickelt würde? Und es war der jetzige österreichische Bundeskanzler, der noch bei der ÖBB-Bilanzpressekonferenz im März sagte: Diese Züge rechnen sich. Warum schafft es die ÖBB offensichtlich, Nachtzüge erfolgreich und wirtschaftlich zu betreiben?
Wir sagen: Wenn die ÖBB einige Nachtzüge weiter betreibt, ist das natürlich besser als nichts. Vermutlich wird die ÖBB auch einiges mehr an Energie und Ideen in diese Sparte stecken als die DB AG in den letzten Jahren – die Ausschreibung neuer Wagen deutet schon in eine sehr gute Richtung. Aber die ÖBB wird wohl nicht das gesamte Netz übernehmen, und somit fehlen immer noch viele Verbindungen im Netz von Deutschland in die Nachbarländer. Und wir sollten die DB AG als Bundesunternehmen hier nicht aus der Verantwortung lassen: In einem zusammenwachsenden Europa brauchen wir aber diese Verbindungen. Europa wächst doch nicht nur in der Luft zusammen, sondern es sollte vor allem auch auf der Schiene zusammenwachsen!
Für ein gesamteuropäisches Netz gibt es seit etwa einem Monat ein Konzept: Den „LunaLiner“. Da haben sich Bahnexperten unabhängig von der DB AG zusammengesetzt und überlegt, wie ein gesamteuropäisches Netz von Nachtzügen eigentlich aussehen müsste. Dieses System ist vertaktet geplant, so dass sich die Züge in bestimmten Bahnhöfen treffen und Wagen austauschen können. Damit könnte man sehr viele Direktverbindungen quer durch Europa im Schlaf anbieten. Das Konzept ist eine Grundlage für eine überfällige Debatte über die Zukunft der Nachtzüge. Das kann sicherlich nicht die DB AG alleine schaffen, aber dann benötigen wir einen europäischen Zusammenschluss der Bahnen, der ein solches Netz gemeinschaftlich betreibt.
Das ist alles andere als Traumtänzerei: So etwas gab es schon. Die „Compagnie Internationale des Wagons-Lits“ hat früher ein großes Nachtzugnetz in ganz Europa betrieben – vor dem zweiten Weltkrieg mit über 2000 Wagen und Verbindungen durch ganz Europa bis nach Istanbul. Und wir wissen doch alle, dass es mit dem klimaschädlichen Flugverkehr so nicht weiter gehen kann, wir brauchen so etwas also wieder, wenn wir auch in Zukunft in Europa mobil bleiben wollen!
Vor einigen Wochen sagte DB-Chef Grube der FAZ auf die Nachfrage nach den Nachtzügen, wir sollten uns überraschen lassen, das Aus des Nachtzugs sei noch nicht besiegelt. Wir warten bis heute auf diese Überraschung. Aber die Zeit drängt extrem: Denn innerhalb der DB AG werden die Beschäftigen der Nachtzugsparte schon jetzt in andere Bereiche abgeworben. Schon jetzt gibt es einen massiven Personalmangel. Züge, die eigentlich mit 4 Mitarbeitern besetzt sein müssten, fahren teilweise nur noch mit zwei Mitarbeitern. Die verbliebenen Kolleginnen und Kollegen befinden sich im Dauerstress. Weil sie sich für ihre Züge einsetzen und noch an eine Zukunft glauben, versuchen sie den Betrieb aufrechtzuerhalten, obwohl es eigentlich kaum noch geht. In der Nacht von letztem Samstag auf Sonntag gab es dann schon den ersten Ausfall: Für den voll besetzten Autozug von Lörrach nach Hamburg war kein Zugführer greifbar. Der Lokführer weigerte sich zu Recht, den Zug regelwidrig ohne Zugführer zu fahren; die Folge: Der Zug stand drei Stunden in Karlsruhe, bis endlich ein Ersatz-Zugführer gefunden war.
Da muss man sich schon fragen: Fährt die DB AG die Züge bewusst vor die Wand, um neuen Anbietern das Leben möglichst schwer zu machen? Legt sie alles darauf an, dass die Züge schon vor dem Sommer endgültig kaputt gemacht werden? Die Reden von neuen Konzepten sind doch dann nur Lippenbekenntnisse, wenn es bald schon keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr gibt, mit denen man so etwas überhaupt umsetzen könnte, und wenn die Kundschaft vergrault wird.
Wir brauchen die Nachtzüge weiter; sie sind sinnvoll, und sie werden nachgefragt. Und wenn man es richtig macht, dann lassen sie sich auch wirtschaftlich betreiben, da habe ich keinen Zweifel. Daher fordere ich Sie alle auf: Stimmen Sie unserem Antrag zu, damit wir endlich eine Grundlage dafür haben, die DB AG in diesem Bereich zu ihrem grundgesetzlichen Auftrag zu zwingen: nämlich ein vernünftiges Verkehrsangebot auch auf Fernreisen in die Nachbarländer zu machen.
Gerade findet parallel bekanntlich das EM-Spiel Frankreich – Deutschland statt. Die nächste EM in vier Jahren wird in 13 Städten Europas stattfinden. Bis dahin brauchen wir wieder ein funktionierendes europäisches Nachtzugnetz – nicht nur für Fußballfans, sondern auch für Familien, Geschäftsreisende und alle, die bequem reisen wollen.