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Vorstellung des 8-Punkte-Plans für gleichwertige Lebensverhältnisse bis 2025 mit Eva von Angern, Dietmar Bartsch und Simone Oldenburg

Föderale Fairness: 8-Punkte-Plan für gleichwertige Lebensverhältnisse bis 2025

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Eva von Angern, Simone Oldenburg und Dietmar Bartsch haben am Mittwoch in der Bundespressekonferenz einen 8-Punkte-Plan für gleichwertige Lebensverhältnisse bis 2025 vorgestellt.



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Deutschland befindet sich in der schwersten Krise seit Jahrzehnten. Nach kurzfristigen ersten Lockerungen erleben wir die dritte Corona-Welle. Während die Menschen die Einschränkungen der Pandemie zunehmend und sichtbar belastet, bleibt das Gesundheitssystem weiter am Limit. Aktuell einziger Ausweg aus dem Dilemma ist die flächendeckende Impfung der Bevölkerung. Die muss in den nächsten Wochen gelingen und das Impfversprechen der Bundesregierung Realität werden.

Die politischen, wirtschaftlichen, finanziellen, sozialen und kulturellen Folgen der Corona-Krise sind in Gänze noch lange nicht absehbar. Für viele Familien, für Kinder, Jugendliche und Alleinerziehende waren die vergangenen Monate eine äußerst schwierige Zeit. Die Verluste im Einzelhandel, in den Innenstädten, im Gastgewerbe, beim Mittelstand und in der Kulturbranche sind immens. Millionen Existenzen sind in Gefahr, auch weil die November-, Dezember- und Überbrückungshilfen vielfach viel zu spät ausgezahlt wurden. Eine Pleitewelle droht, hunderttausende Arbeitsplätze stehen auf der Kippe. Bundesfinanzminister Scholz präsentiert heute den Haushaltsentwurf für 2022 und die mittelfristige Finanzplanung. Die Zahlen machen einmal mehr deutlich: Wir brauchen eine einmalige Vermögensabgabe in Deutschland für Multimillionäre und Milliardäre, um die Folgen dieser Krise und die damit einhergehenden zukünftigen Herausforderungen mitzufinanzieren.

Mit der Corona-Krise hat sich die Schere zwischen Arm und Reich weiter geöffnet. Je geringer die Einkommen, desto größer sind die realen Einbußen bei den Bürgerinnen und Bürgern. Deutschland driftet auseinander – Millionen Verlierer auf der einen Seite und wenige Gewinner der Krise auf der anderen. Eine aktuelle Studie zeigt, dass allein das Vermögen der über 100 Milliardäre in Deutschland seit 2019 trotz Krise um fast 100 Milliarden Euro gestiegen ist. Parallel dazu ist die öffentliche Verschuldung gestiegen. Die Corona-Krise wird historisch teuer: für den Bund, für die Länder, Kommunen und Sozialversicherungen. Laut Bundesregierung belaufen sich die Kosten für die Maßnahmen im vergangenen und in diesem Jahr gesamtstaatlich inklusive Steuerausfälle bisher auf rund 700 Milliarden Euro (ohne Garantien, Kredite, Bürgschaften). Davon tragen Länder und Kommunen einen großen Teil. In den öffentlichen Haushalten wird Corona über Jahre nachwirken. Schon heute gibt es Rufe nach der Einschränkung sozialer Leistungen und öffentlicher Investitionen aufgrund leerer Kassen nach der Krise.

Zwei Drittel der Bevölkerung beklagen in aktuellen Umfragen, dass Deutschland von gleichwertigen Lebensverhältnissen sehr weit entfernt ist. Das ist auch, aber längst nicht mehr allein eine Frage von Ost und West. Das Land droht aufgrund der Folgen der Krise weiter auseinanderzudriften. Für diesen Befund gibt unübersehbare Indizien. Diese reichen von der Ansiedlung von Behörden und Unternehmen, über die geschlossene Bahnhofskneipe, den verlassenen Dorfladen oder die verödenden Einkaufszentren in den Stadtteilen. Deutschland braucht in der Fläche einen schnellen Stopp des Kliniksterbens, die Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken, ein Gigabit-Internet, die Lohnangleichung, die Renteneinheit und endlich ein Bundesministerium für gleichwertige Lebensverhältnisse, wo Verantwortung für all diese notwendigen Entwicklungen gebündelt wird:

Wir schlagen einen 8-Punkte-Plan für föderale Fairness und gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland bis 2025 vor, um dem Artikel 72 des Grundgesetzes endlich gerecht zu werden.


1. Wir brauchen nach der Bundestagswahl eine Vermögensteuer als eine Finanzierungsgrundlage für gleichwertige Lebensverhältnisse. Die Vermögensteuer stärkt den Föderalismus.

Die Vermögensteuer ist ein Schlüssel für die Zukunftsfähigkeit. Was ist daran föderal oder gar fair, wenn Länder und Kommunen einen Großteil der öffentlichen Investitionen stemmen und stemmen müssen, aber über kaum eigene finanzpolitische Gestaltungsspielräume verfügen? Länder und Kommunen sind auf strukturell höhere Einnahmen angewiesen, denn nach der Krise ist vor den Herausforderungen. Corona hat schonungslos die Defizite der öffentlichen Infrastruktur in Deutschland offengelegt. In Krankenhäusern, in Pflegeheimen, in Schulen und Kitas, in den Gesundheitsämtern, bei der Polizei, in der Justiz und in der Verwaltung sehen wir einen Mangel an Personal und Ressourcen. Laut der Kreditanstalt für Wiederaufbau lag der Investitionsrückstand allein an den Schulen bereits vor der Krise bei etwa 44 Milliarden Euro, in den Kommunen gar bei 147 Milliarden Euro.

Die sogenannten »freiwilligen Leistungen« wie Kultureinrichtungen und Freizeitangebote sind durch schrumpfende Gestaltungsspielräume der Länder und Kommunen am stärksten bedroht, obwohl sie fundamental wichtig für die Lebensqualität in Städten und Dörfern sind. Ohne eine Stärkung der öffentlichen Haushalte droht nach der Corona-Krise der größte Kahlschlag in der deutschen Kulturlandschaft seit Jahrzehnten. Die Schließung von Stadttheatern, Bibliotheken, Kulturhäusern oder Regionalmuseen würde ohnehin benachteiligte Viertel und Regionen noch weiter zurückwerfen, die Unzufriedenheit und das Gefühl des Abgehängtseins verstärken.

In kaum einem anderen Land Europas ist das Vermögen so ungleich verteilt wie hierzulande. Die reichsten zehn Prozent besitzen mehr als die übrigen neunzig Prozent der Bevölkerung zusammen. Die Vermögensverteilung in Deutschland hat mit Leistungsgerechtigkeit nichts zu tun und gefährdet die Entwicklung des Landes. Jahrzehnte war die Vermögensteuer eine steuerpolitische Selbstverständlichkeit und hatte Bedeutung für die Haushalte der Länder. Im Jahr 1996 lag ihr Aufkommen bei umgerechnet rund fünf Milliarden Euro. Der Internationale Währungsfonds, die OECD und inzwischen auch der Bundesfinanzminister fordern die Wiedererhebung der Vermögensteuer. Wir unterstützen das ausdrücklich. Die Fraktion DIE LINKE. hat dies in den vergangenen Jahren im Deutschen Bundestag mehrfach beantragt und ein Konzept vorgelegt. Unstrittig ist, dass es hohe Freigrenzen für privates und betriebliches Vermögen geben muss. Der Deutsche Gewerkschaftsbund z.B. hat ein Konzept vorgelegt, mit dem 25 Milliarden Euro an Mehreinnahmen für die Länder realisiert werden könnten.

Das Aufkommen aus der Vermögensteuer würde zu 100 Prozent an die Bundesländer fließen. Die Vermögensteuer wäre daher auch ein Beitrag zur Stärkung des Föderalismus. Dieser hat sich in der Krise grundsätzlich bewährt. Der Föderalismus muss aber deutlich mehr mit finanziellen Mitteln untersetzt werden, um die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen.


2. Ostdeutsche dürfen auf dem Lohnzettel keine Bürger zweiter Klasse sein: Ostlöhne bis 2025 zu 100 % angleichen, Niedriglohnsektor schließen, Nulltoleranz-Politik bei Kinderarmut

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Ostdeutschland arbeiten länger und verdienen rund 25 Prozent weniger als Beschäftigte in den alten Ländern. Die innerdeutsche Lohnlücke ist föderal unfair und frustriert viele Menschen, weil sie das Gegenteil von Leistungsgerechtigkeit darstellt. In Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel arbeiten die Menschen fast zwei Wochen länger und erhalten fast 4000 Euro weniger Jahreslohn als im Nachbarland Niedersachsen. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit in gleicher Arbeitszeit zwischen Frau und Mann, in Ost und West und egal in welchem Bundesland – das muss der politische Anspruch sein. Zudem arbeitet jeder dritte Beschäftigte in den neuen Ländern im Niedriglohnsektor.

Der Niedriglohnsektor muss geschlossen und der gesetzliche Mindestlohn zügig auf 13 Euro angehoben werden. Insbesondere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Ostdeutschland würden davon profitieren.

Wir fordern eine Lohnoffensive Ost durch mehr Tarifbindung und flächendeckende Tarifverträge, um die Löhne in den neuen Ländern bis zum Ende der kommenden Legislaturperiode im Jahr 2025 zu 100 Prozent an das Westniveau anzugleichen.

Kinderarmut ist das größte Zukunftsrisiko Deutschlands. Laut Kinderschutzbund sind etwa 4,4 Millionen Kinder arm oder von Armut bedroht, in den neuen Ländern ist die Quote deutlich höher. Wir brauchen eine Politik der Nulltoleranz bei Kinderarmut und eine armutsfeste Kindergrundsicherung.


3. Ostrenten vor der Bundestagswahl zu 100 % angleichen und Rentenniveau für alle anheben statt Corona-Nullrunden!

Armutslöhne sind die Armutsrenten von morgen. Fast jedem zweiten Vollzeitbeschäftigten in den neuen Ländern droht eine Minirente trotz jahrzehntelanger Arbeit. Die Renten in Ostdeutschland werden in diesem Jahr im Gegensatz zu den Renten im Westen geringfügig steigen. Trotzdem liegt der Rentenwert Ost auch im 31. Jahr der Deutschen Einheit etwa 3 Prozent unter dem Westniveau. Die Bundeskanzlerin hatte mehrfach die Angleichung der Ostrenten versprochen und ihr Versprechen immer wieder gebrochen. Erst im Jahr 2024, nicht mehr in ihrer Amtszeit sollen die Renten komplett anglichen werden.

  Wir fordern die Bundeskanzlerin auf, noch in ihrer Amtszeit und bis zum 3. Oktober 2021 die Renteneinheit herzustellen. Das wäre zum Ende ihrer Kanzlerschaft ein versöhnliches Signal an die Ostdeutschen.

Zudem schlagen wir vor, das Rentenniveau in diesem Jahr anzuheben, um eine Corona-Nullrunde auch für westdeutsche Rentnerinnen und Rentner zu vermeiden. Eine solche wäre sozial ungerecht, ökonomisch kontraproduktiv und auch ein Nachteil für aktuelle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, da auch sie jede Nullrunde später als Rentner spüren werden. Nach der Bundestagswahl sollte das Rentenniveau zügig auf 53 Prozent angehoben werden – wie zu Zeiten Helmut Kohls. Ansonsten droht in den kommenden Jahren insbesondere in Ostdeutschland eine Lawine der Altersarmut.

  Rentenkürzung verhindern! Solange die Löhne der ostdeutschen Beschäftigten strukturell deutlich niedriger sind, muss die Umrechnung bei der Rente erhalten bleiben. Die Bundesregierung will diese Umrechnung bis 2025 komplett abschaffen, das bedeutet eine faktische Rentenkürzung von rund zehn Prozent für die sechs Millionen ostdeutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.


4. Krankenhäuser, Bahn, Internet: Starke Netze in der Fläche!

In Deutschland werden Kliniken geschlossen, obwohl das Gesundheitssystem in der Corona-Krise vor dem Kollaps steht. 20 Kliniken wurden 2020 dicht gemacht, 30 weiteren droht in diesem Jahr die Schließung. Das Kliniksterben ist politisch gewollt. Der Bundesgesundheitsminister will den Bestand verkleinern. Wir halten das für politisch falsch und fordern ein Schließungsmoratorium. Insbesondere für den ländlichen Raum ist jedes Krankenhaus wichtig. In den letzten drei Jahrzehnten sind bereits über 600 Kliniken geschlossen worden. Deutschland hat nicht zu viele Krankenhäuser, sondern vor allem in der Fläche zu wenige.

✓ Keine einzige Klinik darf mehr dicht gemacht werden! Krankenhäuser gehören in öffentliche Hand!

In Sachsen-Anhalt hat die Linksfraktion ein Konzept für eine landeseigene Krankenhausgesellschaft vorgelegt. In Berlin konnte DIE LINKE die Privatisierung von Kliniken verhindern. Krankenhäuser gehören – erst recht nach dieser Krise - in öffentliche Hand. Zudem muss das Fallpauschalen-System abgeschafft werden!

Rund 6.500 Kilometer Strecke der Deutschen Bahn sind seit 1990 in Deutschland stillgelegt, 40 Prozent davon in Ostdeutschland. Das war klimapolitisch und strukturpolitisch ein schwerer Fehler. Vielerorts werden die Bahnverbindungen schmerzlich vermisst. Ganze Regionen sind so im wahrsten Sinne des Wortes dauerhaft abgehängt. Der Bund als Eigentümer der Deutschen Bahn ist in der Pflicht, diesen Kurs zu ändern. Die Bahn muss zurück in die Fläche. Oft ist die Reaktivierung alter Bahnstrecken mit geringerem Aufwand verbunden als ein kompletter Neubau. Es gibt Fördermittel des Bundes und der EU, aber keinen konsequenten Maßnahmenplan.

Wir fordern ein Reaktivierungsprogramm der Deutschen Bahn für stillgelegte Strecken in Abstimmung mit den Bundesländern.

Bereits 2013 wollte der damalige Verkehrsminister Dobrindt Deutschland zum Internet-Weltmeister küren, tatsächlich sind wir aktuell in Punkto Digitalisierung ein Entwicklungsland. Die CSU, die das zuständige Ministerium seit Jahren führt, hat eine unfassbar miese Digitalbilanz zu verantworten. Insbesondere im ländlichen Raum fehlt schnelles Internet für Unternehmen und Haushalte. Wir schließen uns der Forderung der SPD an, Deutschland in eine Gigabit-Gesellschaft zu führen.

Wir brauchen eine bundesweite Kraftanstrengung, um allen Bürgerinnen und Bürgern und allen Betrieben schnellstmöglich Internet in Gigabit-Geschwindigkeit zu ermöglichen.


5. Kosten für Pflegeheimbewohner senken - Pflege darf nicht arm machen!

Im Oktober 2020 hat Bundesgesundheitsminister Spahn eine Pflegereform angekündigt, die die Eigenanteile für Pflegeheimbewohner senken soll. Laut eines aktuellen Entwurfs soll es für Bewohner im ersten Jahr gar keine Entlastung geben. Die Kosten sind in den Bundesländern höchst unterschiedlich und föderal unfair. Obwohl Bürgerinnen und Bürger bundesweit denselben Pflegeversicherungsbeitrag zahlen, kostet ein Heimplatz in NRW seit 1. Januar laut Verband der Ersatzkassen 2460 Euro und zum Beispiel in Thüringen 1648 Euro. Im Bundesdurchschnitt liegen die Kosten inzwischen bei 2068 Euro, ein Anstieg um 300 Euro in drei Jahren. Das Pflegeheim wird für immer mehr Menschen zu einer Armutsfalle, etwa ein Drittel der Bewohner muss inzwischen Sozialhilfe beantragen.

Der Bundesgesundheitsminister muss endlich einen Entlastungsplan Pflege vorlegen: Die Kosten für einen Heimplatz sollten deutlich unter dem Rentenniveau liegen.


6. Verödung stoppen: Programme für Innenstädte, Bahnhofskneipen und Dorfläden

Viele Innenstädte leiden unter der Corona-Krise. Auch durch die schleppende Auszahlung der Hilfen sind Geschäfte und Unternehmen in ihrer Existenz bedroht. Es braucht eine Bund-Länder-Anstrengung, um das Ladensterben und die Verödung der Innenstädte aufzuhalten. Attraktive Innenstädte brauchen die Vielfalt - eine Mischung aus Wohnen, Arbeiten, Gewerbe, Kultur und sozialen Einrichtungen. Kommunen sollte z.B. der Erwerb von ehemaligen Kaufhäusern und die kreative Umnutzung dieser Flächen finanziell ermöglicht werden. Bundeswirtschaftsminister Altmaier hat im Januar ein Hilfsprogramm für die Innenstädte im Frühjahr angekündigt, passiert ist nichts.

Wir fordern ein »Notfallprogramm Innenstadtrettung«.

An 92 Prozent der Bahnhöfe in Deutschland gibt es kein Servicepersonal. Laut Antwort des Bundesverkehrsministeriums auf eine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag finden Fahrgäste auf 5213 von 5663 Personenbahnhöfen keinen Ansprechpartner. Es muss der Grundsatz gelten: Ein Bahnhof, der angefahren wird, muss mit Personal besetzt sein.

  »Rettet den Bahnhof«: Wir brauchen ein Sanierungsprogramm für Bahnhöfe in Deutschland. Insbesondere für kleine und mittlere Städte sind Bahnhöfe zentral. Sie sollten wieder lebendige Orte mit Service und Bahnhofskneipe werden.

Ähnliches gilt für die Nahversorgung in Dörfern, kleinen Städten und Kiezen. Große Supermärkte haben vielerorts den letzten kleinen Laden verdrängt. Der ländliche Raum und die lokale Nahversorgung sollten auch als Lehre aus dieser Krise aufgewertet werden.

Wir schlagen ein Förderprogramm »Jedes Dorf braucht einen Laden!« und eine Reform des Gewerbemietrechts zum Schutz und für die Wiederansiedlung kleiner Läden, Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe vor.


7. Keine Extrawurst für Ostdeutschland, aber föderale Fairness bei Personal, Behörden und Unternehmen.

Kein Uni-Rektor, kaum ein General und kaum ein Botschafter der Bundesrepublik ist in Ostdeutschland groß geworden: In weniger als zwei Prozent der Spitzenpositionen der Gesellschaft sitzen Ostdeutsche. In den Bundesministerien sind nur 4 von 133 leitenden Beamten aus den neuen Ländern. Nicht nur beim Personal, sondern auch bei Bundesbehörden gibt es eine föderal unfaire Verteilung. Allein NRW hat doppelt so viele Bundesbehörden wie alle neuen Länder zusammen. Von 109 Unternehmen, an denen der Bund beteiligt ist, haben nur fünf ihren Sitz in Ostdeutschland. Zuletzt hat die Bundesforschungsministerin eine Batteriefabrik in ihrer Heimatregion Münster angesiedelt.

Es geht um Augenhöhe, nicht um eine Extrawurst. Wir brauchen einen Pakt für föderale Fairness bei Personal, Behörden, Forschungseinrichtungen und Bundesunternehmen.

Es wäre ein wichtiges Signal, wenn die Bundesregierung mit ihrer Beteiligung Druck machen würde, ein DAX-Unternehmen wie die Deutsche Telekom oder die Deutsche Post nach Ostdeutschland zu holen.


8. Wir brauchen ein Bundesministerium für gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland. Das Heimatministerium abschaffen!

Die Bundesregierung hat zu Beginn der Legislaturperiode eine Kommission »Gleichwertige Lebensverhältnisse« unter Federführung des Bundesinnenministers eingesetzt. Zwar ist der Abschlussbericht verfasst, aber konkrete Maßnahmen gab es kaum. Für die aktuelle Bundesregierung ist dieses Thema nicht mehr als ein PR-Thema. Darüber hinaus gibt es zwei grundsätzliche Strukturmängel in den Ministerien: Der Ostbeauftragte der Bundesregierung ist beim Bundeswirtschaftsministerium angesiedelt und nicht im Bundeskanzleramt. Zudem wurde im Bundesinnenministerium ein Heimatministerium als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für CSU-Parteifreunde geschaffen.

  Für die Umsetzung eines Paktes für föderale Fairness in ganz Deutschland brauchen wir ein Bundesministerium für gleichwertige Lebensverhältnisse. Es geht darum, dem politischen Ziel des Artikels 72 des Grundgesetzes bis zum Jahr 2025 – bis zum Ende der kommenden Legislaturperiode – spürbar näher zu kommen. Das Heimatministerium sollte dafür abgeschafft werden.