Pestizidwirkstoffe, die in Deutschland und in der EU verboten sind, kommen in von der Bundesregierung finanzierten Projekten der Allianz für eine Grüne Revolution (AGRA) in Ghana zum Einsatz. Dies teilte die Bundesregierung auf Nachfrage von Cornelia Möhring, Sprecherin für Entwicklungspolitik der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag.
von Cornelia Möhring
In Projekten der Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika (Alliance for a Green Revolution in Africa, AGRA) in Ghana, die von der deutschen Entwicklungszusammenarbeit gefördert werden, kommen die Pestizidwirkstoffe Propanil und Permethrin zum Einsatz, die in der EU nicht zugelassen sind. Dies ergaben Recherchen der Rosa-Luxemburg-Stiftung, FIAN, Brot für die Welt, INKOTA und dem Forum Umwelt und Entwicklung und wurde auf unsere Nachfrage von der Bundesregierung bestätigt: „Nach Kenntnis der Bundesregierung kommen die folgenden Pestizide in den von der Bundesregierung finanzierten AGRA-Projekten in Ghana zum Einsatz:
- Zoomer 390 SC (Wirkstoffe: Glyphosate (360g/l) und Oxyfluorfen (300g/l)),
- Orizo Plus SL (Wirkstoffe: Propanil (360g/l) und 2,4-D Amine salts (200g/l)),
- Betallic Super (Pyrimiphos Methyl (80g /l) und Permethrin (15g /l)).“
Sie begründen den Einsatz der Wirkstoffe Permethrin und Propanil damit, dass diese „durch die Umweltschutzbehörde in Ghana zugelassen“ sei und dass sie damit die Vorgaben der „Kfw-Nachhaltigkeitsrichtlinie und der IFC Exklusion List der Weltbankgruppe“ einhalten würden.1
Der Einsatz von Propanil und Permethrin ist in der EU verboten
Der Einsatz von Propanil und Permethrin ist in der EU nicht ohne Grund verboten. Propanil gilt laut der US-amerikanischen Umweltbehörde (Environmental Protection Agency, EPA) als giftig für Fische und wirbellose Wassertiere. Das Insektizid Permethrin wird von der EPA als „wahrscheinlich“ krebserregend“ eingestuft und gilt als hochgiftig für Bienen. Für Menschen kann Permethrin beim Verschlucken und Eindringen in die Atemwege tödlich sein. Von der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, WHO) werden beide Wirkstoffe als Klasse II-Wirkstoffe eingeordnet (https://cloud.rosalux.de/s/QnPbJa5FCmmo9WH). Klasse II-Wirkstoffe gelten als mäßig gefährlich, und damit ist ihr Einsatz mit hohen Standards verbunden, was ihre Anwendung in Projekten mit kleinbäuerlichen Erzeuger*innen ausschließt:
Laut der EPA dürfen Felder, die mit Pestiziden auf Basis von Propanil gesprüht werden, während dem Sprühen und nach dem Einsatz für 24 Stunden nicht betreten werden. Die Schutzausrüstung der Bauern und Bäuerinnen muss unter anderem aus chemikalienbeständigen Handschuhen aus wasserdichtem Material und aus chemikalienbeständigem Schuhwerk und Socken bestehen. Permethrin muss an einem kühlen, trockenen, gut belüfteten Bereich, entfernt von brennbaren Materialien und Wärmequellen, gelagert werden. Die leeren Behälter dürfen nicht wiederverwendet werden. Zudem soll Arbeitskleidung, die beim Permethrin-Einsatz getragen wurde, nicht außerhalb des Arbeitsplatzes getragen werden und das Pestizid muss unter Verschluss aufbewahrt werden.
Verstoß gegen eigene Richtlinien
Dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sind die Gefahren, die der Einsatz dieser beiden Wirkstoffe bedeutet, bewusst. In Projekten der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) wäre daher der Einsatz von Permethrin und Propanil klar verboten.2
Obwohl GIZ und KfW offizielle Durchführungsorganisationen der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit sind, gelten unterschiedliche Standards im Umgang mit Pestiziden und die der KfW sind weniger streng. Bei von der KfW finanzierten Projekten muss der Einsatz von Pestiziden laut Auskunft der Bundesregierung auf unsere Nachfrage „grundsätzlich den rechtlichen Vorgaben des Partnerlandes sowie den Anforderungen der Nachhaltigkeitsrichtlinie der KfW Entwicklungsbank (KfW) entsprechen“,3 für die die Umwelt- und Sozialstandards der Weltbank4 maßgeblich sind5. Zudem verweist die Bundesregierung auf die Ausschlussliste der KfW Bankengruppe und die IFC Exclusion List, durch die Finanzierungen ausgeschlossen werden, bei denen Pestizide der WHO-Wirkstoffklassen 1a und b eingesetzt werden.
Dennoch: Trotz geringerer KfW-Standards sind der Einsatz von Propanil und Permethrin (WHO-Wirkstoffklasse 2) nach unserer Auffassung in KfW-Projekten ausgeschlossen. Denn dort wird klar gesagt, dass Wirkstoffe, die von internationalen Agenturen als giftig oder krebserregend eingestuft werden, nicht verwendet werden dürfen. Die EPA hat Permethrin als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Ferner wird klar benannt, dass Kreditnehmer keine Pestizidwirkstoffe benutzen dürfen, wenn Laien oder Bauern und Bäuerinnen darauf zugreifen, denen entsprechende Schulungen, Schutzausrüstung und Lagermöglichkeiten fehlen. Dies ist in kleinbäuerlichen Kontexten in Afrika der Fall.
Fazit
Durch die Recherchen der Rosa-Luxemburg-Stiftung, INKOTA, Brot für die Welt, FIAN und des Forum Umwelt und unser beharrliches Nachfragen konnten wir feststellen, dass die Bundesregierung unterschiedliche Maßstäbe setzt für den Einsatz von giftigen Pestiziden in von ihr geförderten Entwicklungshilfeprojekten und dass sie den Einsatz von Pestiziden billigt, die in der EU verboten sind.
Die Bundesregierung muss unverzüglich den Einsatz von in der EU nicht genehmigten Pestizidwirkstoffen in ihren eigenen Projekten stoppen und darüber hinaus so schnell wie möglich ein nationales Exportverbot von Pestiziden und Pestizidwirkstoffen erlassen sowie sich auf internationaler Ebene für ein Verbot hochgefährlicher Pestizide einsetzen.
Pestizide stellen nicht nur akut für die Menschen, die mit ihnen arbeiten eine Gefahr dar, sondern darüber hinaus zerstören sie langfristig die Artenvielfalt und die Umwelt. Daher muss die Förderung von nicht nachhaltigen Projekten der Grünen Revolution wie AGRA eingestellt und stattdessen agrarökologische Modelle gefördert werden.
1 Schreiben des BMZ an den Abgeordneten Jan Korte vom 8.12.2021 mit ergänzenden Auskünften auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 19/31167; AZ: PB01510909
2 Nach der Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dürfen Pestizide in GIZ-Projekten nur zum Einsatz kommen, wenn sie in der EU genehmigt, nach WHO minderschädlich (Klasse 3) oder nicht als akute Gefahr eingestuft werden. Vgl. https://dserver.bundestag.de/btd/18/061/1806178.pdf
5 Antwort auf Schriftliche Frage Nr. 01/163 von Cornelia Möhring vom 18.01.2022
6https://thedocs.worldbank.org/en/doc/837721522762050108-0290022018/original/ESFFramework.pdf (S. 42)