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Bundesregierung verschwieg Einsatz von Spionagesoftware

Nachricht von Jan Korte,

Die umstrittene Spionagesoftware "Pegasus" kommt bereits seit März 2021 in Deutschland zum Einsatz. Das teilte die Vizepräsidentin des Bundeskriminalamts (BKA), Martina Link, am Dienstag dem Innenausschuss des Bundestags mit. Auf eine Kleine Anfrage von Jan Korte hatte die Bundesregierung noch vor Kurzem jede Auskunft abgeblockt. Der 1. Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion spricht von einem Skandal und fordert umfassende Aufklärung von der Bundesregierung.


Die Enthüllungen des investigativen "Forbidden Stories"-Recherche-Netzwerks über den weltweiten Einsatz der Pegasus-Spionagesoftware warfen in den vergangenen Monaten ein Schlaglicht auf die Tragweite digitaler Überwachung. Die Software gilt als eine der leistungsfähigsten Spionageprogramme auf dem kommerziellen Markt. Mit ihr kann aus der Ferne, also ohne physischen Zugriff auf das Telefon zu haben, unbemerkt die komplette Kommunikation auf dem Mobiltelefon einer Zielperson überwacht werden. Egal ob SMS, E-Mails oder verschlüsselte Chats. Doch nicht nur das: Fotos und Videos können durchsucht, Passwörter ausgelesen und auf die Daten der Cloud zugegriffen werden. Eine Liste potenzieller Pegasus-Ziele mit mehr als 50.000 Telefonnummern offenbarte, dass die Sicherheitsbehörden einer Vielzahl von Regimen die Späh-Superwaffe der israelischen Firma NSO Group nicht nur für die Überwachung von Terroristen und Kriminellen nutzen, sondern auch für erfolgreiche Hacks von Smartphones, die Journalisten, Menschenrechtsaktivisten, Rechtsanwälten und Geschäftsleuten gehören. Die Liste, die von 2016 bis in die Gegenwart reicht, enthält zudem die Nummern von einem Dutzend Staats- und Regierungschefs, etlichen Ministern sowie hochrangigen Diplomaten. Nachdem bekannt geworden war, dass der Mord am saudi-arabischen Regimekritiker Jamal Khashoggi 2018 mit Hilfe von "Pegasus" geplant worden war und sich unter den bespitzelten Regierungschefs auch Frankreichs Präsident Macron befindet, hatte sich sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel leicht empört gezeigt und eine Verkaufsbeschränkung für die Spähsoftware gefordert: "Ich glaube, dass es wichtig ist, dass für bestimmte Situationen ausgerichtete Software nicht in falsche Hände kommt."

DIE LINKE. im Bundestag richtete daraufhin eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung, um in Erfahrung zu bringen inwieweit "Pegasus" auch in Deutschland zum Einsatz kommt, wer davon betroffen ist und ob daran auch deutsche Sicherheitsbehörden beteiligt sind. Die Antwort lautete: Da das Staatswohl gegenüber dem parlamentarischen Informationsrecht überwiege, müsse das Fragerecht der Abgeordneten gegenüber den Geheimhaltungsinteressen der Sicherheitsbehörden des Bundes zurückstehen. Selbst eine Einsichtnahme in der Geheimschutzstelle des Bundestages käme nicht in Frage.

Nun kommt heraus, dass auch das BKA Pegasus gekauft hat, um Verdächtige zu überwachen. Angeblich wurde Pegasus dabei den rechtlichen Anforderungen in Deutschland angepasst. Doch wie das überprüft werden konnte, wenn – wie in diesem Markt üblich – der Quellcode der Software nicht zugänglich gemacht wird, bleibt das Geheimnis des Bundesinnenministeriums.

Für Jan Korte kommen die Enthüllungen nicht überraschend:

"Seit Jahren versucht das BKA, an eine Software zu Überwachung von Messengern und zur Online-Durchsuchung zu kommen. Vor Jahren kaufte es dafür Software des Münchener Unternehmens FinFisher – von denen später bekannt wurde, dass ihre Software zur Ausforschung der demokratischen Opposition in der Türkei genutzt wurde. Jetzt hat sich dieses traurige Spiel wiederholt. Auch Pegasus verkauft seine Software nicht nur an Polizeibehörden demokratischer Rechtsstaaten, sondern ohne jedes Gewissen auch an Autokraten und Diktatoren. Egal, ob Sicherheitslücken durch Sicherheitsbehörden auf illegalen Handelsbörsen im Darknet oder Spähprogramme bei vermeintlich seriösen Firmen gekauft werden: Am Ende beteiligt sich die Bundesregierung dabei an einer Branche, die mit weltweitem Einsatz von Überwachungssoftware Geld verdient. Mit den bösen Buben spielen und dabei sauber bleiben, geht nicht.

Ich erwarte jetzt von der Bundesregierung, dass sie endlich auch schriftlich unsere zahlreichen Fragen zu diesem ganzen Skandal beantwortet. Denn die Regierung sowie Union und SPD verwechseln notorisch das Staatswohl mit ihren eigenen Überwachungsfantasien. Ein grundrechtskonformes staatliches Hacking ist technisch weder möglich noch kontrollierbar. 

Artikel 10 des Grundgesetzes verpflichtet den Staat zur Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme und zum Schutz dieser vor Angriffen durch Dritte. Das Gegenteil ist der Fall: Das BKA gefährdet durch den unkontrollierbaren Einsatz von Spionagesoftware wie Pegasus unser aller Kommunikation. Schon seit Edward Snowden wissen wir, dass geheim arbeitende Polizeien die besten Kunden auf dem legalen wie dem illegalen Markt für Sicherheitslücken sind, den es ohne ihr Treiben in diesem Umfang sicher gar nicht gäbe. Deshalb muss man immer davon ausgehen, dass deutsche Sicherheitsbehörden Spähsoftware wie Pegasus einsetzen, sobald die Regierung die Beantwortung entsprechender Fragen danach mit Verweis auf das Staatswohl verweigert. Und bei dieser Bundesregierung muss man eigentlich immer davon ausgehen, dass sie es bei Fragen der Überwachung und Ausspähung mit den Grundrechten nicht so genau nimmt. Dementsprechend lag es auf der Hand, dass deutsche Sicherheitsbehörden 'Pegasus' besitzen und rechtswidrig auch einsetzen, nachdem die Regierung sich geweigert hatte unsere entsprechenden Fragen zu beantworten. DIE LINKE fordert daher schon seit Jahren den Verzicht auf Quellen-Telekommunikationsüberwachung, Online-Durchsuchungen und den Einsatz von Spähsoftware wie Pegasus und Co. Das ist rechtsstaatlich die einzige saubere Lösung."